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Archiv-Artikel

DIE PATIENTEN VERSTEHEN DIE GESUNDHEITSREFORM NICHT – ZU RECHT Gesetz mit obskurer Logik

Jeder Zweite fühlt sich immer noch schlecht über die Gesundheitsreform informiert, ergab eine jüngste Umfrage. Wie kann das sein? Sind nicht seit Mitte vergangenen Jahres sämtliche Zeitungen mit Berichten über Praxisgebühr, Zuzahlungen, Leistungskürzungen gepflastert? Hat nicht jedes Fernsehmagazin sich an die Fersen von chronisch Kranken geheftet, um trommelwirbelnd darzustellen, welche Belastungen die Gesundheitsreform den Patienten aufbürdet?

Doch. Man möchte wetten, dass seit Jahresbeginn kein Wort häufiger in den Titelzeilen vorgekommen ist als „Praxisgebühr“. Die Frage ist bloß, ob das Versichertenvolk versteht, woher die Belastungen kommen, wem sie dienen und was das Ganze überhaupt soll. Und da ist es wenig überraschend, dass die Hälfte der Versicherten sich immer noch nicht informiert fühlt. Die Überraschung ist vielmehr, dass sich überhaupt irgendwer ausreichend informiert fühlt.

Das Gesetzeswerk namens Gesundheitsreform ist ein vielhundertseitiges Geflecht von Querverweisen. Es betrifft sämtliche Bereiche des Gesundheitswesens, in dem über vier Millionen Menschen arbeiten – das Gesundheitswesen ist der größte Arbeitgeber im Land. Selbst zuständige Menschen im Gesundheitsministerium glauben nicht, dass irgendein Mensch dieses Reformpaket vollständig überblickt.

Doch das öffentliche Verständnis der Gesundheitsreform misst sich natürlich nicht daran, wer alle Paragrafen aufzählen kann, sondern daran, wer den Kontext verstanden hat. Die Rechnung der SPD-CDU-Grünen-FDP-Gesundheitsreformer lautet: Wir müssen die Arbeitgeber froh stimmen, damit sie Arbeitsplätze schaffen. Sie sagen, wir sollen die Lohnnebenkosten senken, also tun wir das. Wir fangen dazu bei der Krankenversicherung an und schneiden 20 Milliarden Euro aus dem Gesundheitssystem heraus. Die lassen wir im Wesentlichen von den Versicherten bezahlen. Kurz: Praxisgebühr schafft Jobs.

Wenn das Verständnis der Bevölkerung für diesen Zusammenhang begrenzt ist, darf das eigentlich niemand wundern. Die Logik dahinter ist wahrhaftig obskur. ULRIKE WINKELMANN