: DIE KLEINE WORTKUNDE
Von all den Dingen, die sich den Augen der Öffentlichkeit heutzutage präsentieren, schockt uns bekanntlich nur noch wenig. Blut, pff. Nackte Haut, pffff. Performance Art allerdings behält sich in dieser Welt noch ein Restfünkchen an Schocker- oder zumindest Kopfschüttel-Potenzial vor, damit es weiter spannend bleibt.
Was sich Performance Art nennen will, sollte eine öffentliche Handlung sein, die vergänglich ist und nicht in gleicher Weise wiederholt werden kann. Als Medium gilt der Körper des/der KünstlerIn. Etabliert hat sich der Begriff der „Performance Art“ in den 1960er Jahren, als Gegenbegriff zu den „gängigen“ Kunstsparten der bildenden und darstellenden Künste. Ursprünglich sollte mit Performance Art vor allem der Warencharakter von Kunstwerken und deren Verwertung auf dem Kunstmarkt angeprangert werden.
Mal kunstbanausig gefragt: Dann wäre also auch die Aktion „Ich gehe bei Rot über die Ampel“ Performance-Kunst? Die Antwort müsste wohl lauten: Wenn man es als solche deklariert, ja. Joseph Beuys behauptete einmal, jeder Mensch sei ein Künstler. Das müssen andere Menschen, vor allem aber die Medien, natürlich erst einmal mitkriegen: Man sollte also mit einem als Performance Art deklarierten Akt etwas ausdrücken wollen und möglichst große Aufmerksamkeit erregen. Deswegen wird vorzugsweise etwas Ungewöhnliches, Schockierendes oder schlicht Ekelhaftes gewählt.
Ein neues Beispiel verdeutlicht den Begriff der Performance Art auf sehr anschauliche Weise. Die New Yorker Performance-Künstlerin Marni Kotak hat diese Woche ihren Sohn in einer Galerie zur Welt gebracht. Ihr ist natürlich nicht plötzlich die Fruchtblase geplatzt, als sie zufällig gerade dort war. Sie hat das 4.000 Gramm schwere Prachtkerlchen auch nicht einfach „geboren“ oder „entbunden“, die Prozedur fand als „Performance-Geburt“ in einer eigens dafür hergerichteten Geburtsstätte statt. Sie ließ sich in dieser Extremsituation von Zuschauern beobachten und auch filmen, das Video „The Birth of Baby X“ wird in der nächsten Ausstellung der Galerie zu sehen sein.
Als Erklärung fügte die junge Mutter noch bedeutungsvoll hinzu, die Geburt eines Kindes sei die „höchste Form der Kunst“. Sie wolle Menschen zeigen, „dass das wirkliche Leben die beste darstellende Kunst ist“ – fertig war das Meisterstück. CARLA BAUM