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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Kriege in Pastell

WAS SAGT UNS DAS? In Amerika ereifern sich einige Menschen über gewalttätige Szenen in der HBO-Serie „Game of Thrones“. Aber das Fantasiespektakel spielt nun mal im Krieg – und da wird vergewaltigt und gemordet

Von IPP

Gewalt. Sex. Inzest. Vergewaltigung. Das sind einige der Zutaten der erfolgreichen HBO-Serie „Game of Thrones“. Und wegen dieser Zutaten regen sich einige Menschen in den USA nun auf. Anlass ist eine Szene, in der eine Frau von ihrem Bruder am Grab des gemeinsamen Sohnes vergewaltigt wird.

Nur zum Verständnis: Die Serie spielt in einer mittelalterlichem Fantasysetting. Es herrscht konstant Krieg, und das seit vier Staffeln. Nun ja, und zum Krieg gehört Gewalt – in all ihren Formen. Wie sollen Kriege sonst im Fernsehen dargestellt werden? Schön pastellig, wie einem Katy-Perry-Video entsprungen?

Die Kritik geht natürlich weiter: Die in der Serie gezeigte Gewalt würde sich vorrangig gegen Frauenfiguren richten. Wie bitte? Eine der männlichen Hauptfiguren wird direkt am Ende der ersten Staffel hingerichtet; einem anderen wird im späteren Verlauf die rechte Hand abgehackt; und bei einer Hochzeit werden zahlreiche Menschen auf brutalste Weise niedergemetzelt, dass das Blut nur so spritzt – so viel dazu.

Aber weil es sich bei „Game of Thrones“ um eine Serie handelt, droht natürlich auch die mediale Kulturkritik – reflexartig, wie bei Hunden mit Schaum vor dem Maul. Die allgegenwärtigen Gewaltszenen in Buch und Serie würden uns abstumpfen lassen und am Ende gar erregen, so die Kritik. Ein ständig wiederkehrendes Argument: Medien reproduzieren Gewalt, die sich dann in unseren Köpfen reproduziert und im Akt endet. Ein Aufschreien, nur weil etwas Verstörendes bildlich vorkommt, reicht als Kritik aber nicht. Die Inszenierung, die Bildsprache, die anderen Figuren, der Gesamtkontext sind ebenfalls von Bedeutung.

An der Darstellung von Gewalt in der Serie ist nichts erotisch. Sie ist durchweg verstörend. Um es mit den Worten des Autors George R. R. Martin in der New York Times zu sagen, dessen Bücher die Quelle der Serie sind: „Wenn die Szenen von sexueller Gewalt erregend sein sollen, sagt das mehr über die Kritiker aus als über meine Bücher.“

Kriege sind gewalttätig, unfair, nicht gendergerecht und nicht immer in Gut und Böse unterteilbar. Die Macher der Serie und Martin wollen genau dies aufzeigen. „Wir sind die Monster (und die Helden)“, sagt der Autor. Wer aber diese Realität verklären möchte, soll doch lieber in eine Walt-Disney-Welt abtauchen – und dort bitte nicht mehr rauskommen. IPP