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DGB–Buchclub unterm Hammer

■ Büchergilde Gutenberg Opfer der Sanierung der Neuen Heimat? / Mehrheitsanteil für Privatverlage

Aus Berlin Martin Kempe

Der Deutsche Gewerkschaftsbund will eine seiner renommiertesten kulturpolitischen Einrichtungen, die Büchergilde Gutenberg, teilweise abstoßen. Nach Informationen der taz haben in den letzten Monaten Gespräche zwischen den gewerkschaftlichen Anteilseignern auf der einen Seite sowie dem Hoffmann & Campe Verlag Hamburg und Athenäum– Verlag Frankfurt auf der anderen Seite stattgefunden. Ziel dieser Gespräche ist die Übernahme einer Mehrheit der Anteile der Büchergilde durch die beiden Verlage. Die derzeitigen Gesellschafter des Buchclubs sind die gewerkschaftliche Unternehmensholding BGAG (58 Gewerkschaftsbund (25 die Industriegewerkschaft Druck und Papier (23 mit den beiden Verlagen wurden u.a. von dem für Gemeinwirtschaft zuständigen DGB–Vorstandsmitglied Helmut Teitzel und Vertretern der BGAG geführt. Bei der IG Druck und Papier zeigte man sich von den Verkaufsabsichten gestern noch nicht informiert. Die Büchergilde Gutenberg ist mit 185.000 Mitgliedern die bei weitem kleinste, aber auch literarisch anspruchsvollste Buchgemeinschaft der BRD. Weil sie seit Jahren mit Verlusten arbeitet, hat es in der Vergangenheit immer wieder Vorstöße der gewerkschaftlichen Finanzmanager gegeben, sie an private Verlage oder gar konkurrierende Buchclubs zu verkaufen. Diese Absichten sind immer wieder an den Protesten der Einzelgewerkschaften und der gewerkschaftlichen Clubmitglieder gescheitert, die bei einem Verkauf den Verlust des spezifischen gesellschaftspolitischen Profils und der handwerklich anspruchsvollen Aufmachung des Büchergilde– Programms fürchteten. Obwohl die Mitgliederzahl in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht und die Verluste verringert werden konnten, nahm der Druck auf die Büchergilde im Zusammenhang mit der durch den Neue Heimat– Skandal verursachten Finanzkrise des gewerkschaftlichen Unternehmenskomplexes wieder zu. Die jetzigen Aktivitäten sind offenbar Bestandteil der Bemühungen von BGAG–Chef Hans Matthöfer, möglichst alle Verlustbringer in den Gewerkschaftsunternehmen auszuschalten. Dies entspricht weitgehend der Beschlußlage des DGB. Allerdings wurde dabei, beispielsweise von der größten Einzelgewerkschaft, der IG Metall, die Büchergilde immer ausgenommen. Sie zählt zu den ureigensten kulturpolitischen Aktivitäten der Gewerkschaften, die nach Meinung der IGM auch dann weitergeführt werden sollen, wenn keine Profite abgeworfen werden. Die Verkaufsgespräche zwischen BGAG und DGB einerseits, Fortsetzung auf Seite 2 Hoffmann & Campe und Athenäum andererseits sollen nach Informationen der taz in der nächsten Woche in ein entscheidendes Stadium kommen. Die beiden Verlage haben nach Aussagen eines Sprechers von Hoffmann & Campe nur dann ein Interesse, die Mehrheit der Büchergilde zu übernehmen, wenn ihr derzeitiges Programm nach Profil und Qualität erhalten bleibe. Sowohl bei Hoffmann & Campe, als auch bei dem mehr sozialwissenschaftlich orientierten Athenäum–Verlag, gibt es im Verlagsprogramm weitgehende Überschneidungen zum Büchergilde–Programm. Der Athenäum– Verlag hat vor einigen Jahren schon den gewerkschaftlichen Buchverlag Europäische Verlags Anstalt übernommen und könnte einen Teil des damaligen EVA– Autorenstamms in die neue Gesellschaft einbringen. Gleichzeitig hegt man die Hoffnung, mit Hilfe des Knowhow der Verlage bei Marketing und Vertrieb die Büchergilde endgültig aus den roten Zahlen herauszubringen. Ob die bisherige Programmautonomie der Büchergilde zukünftig erhalten bleibt, ist ungewiß. Denn dies würde das Recht beinhalten, Bücher aus den am Unternehmen beteiligten Verlagen nicht in das Buchclub–Programm aufzunehmen.

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