DER RECHTE RANDWIE DIE RECHTEN STYLES KLAUEN : Neonazis fleischlos
Tattoos und riesige Piercing-Löcher, Windbreaker und Chucks: In der rechtsextremen Szene versuchen Autonome Nationalisten (AN) subkulturelle Styles aus anderen Gruppen zu erschließen, um „hip“ zu erscheinen. Auf der Straße geschieht das seit Jahren, in der Küche seit Jüngstem: Vegan ist in. Auf Webseiten treten die AN im Norden für Tierrechte und eine vegane Lebensweise ein. Auf Szeneportalen, aber auch bei Youtube finden sich „nationale Koch-Shows“.
Der Style der zwei jungen Männer, die in den Videos Sturmhauben tragen – Balaclavas –, geben der Show den Namen: „Balaclava-Küche“. Beim Schnippeln und Umrühren erklären sie nebenbei, dass regionale Lebensmittel, „möglichst auch bio“ und nicht die „Nestlé-, Coca-Cola-, Kraft-, Unilever- und Israel-Wichse“ gekauft werden sollte. Die vermummten Köche nutzen allein vegane Produkte und empfehlen zu „containern“.
Mit ihren T-Shirts vermitteln sie politische Statements. In der ersten Folge prangte auf einem das Konterfei des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess mit dem Satz: „Ein Mensch ist illegal“. Ein Zitat aus dem Film „Falling Down“ mit dem Amok laufenden Michael Douglas ziert die Shirts in der zweiten Folge: „Ich bin krank? Willst du mal etwas Krankes sehen, dann geh doch mal durch die Stadt. Das ist krank!“
Stadt gleich krank: Schon die völkische Bewegung 1871 machte diese Gleichung auf. Der Vegetarismus hat hier eine lange Tradition. In „Die Kunst des glücklichen Lebens“ schwärmt der völkische Publizist Paul Förster 1889 von der vegetarischen Lehre als natürlichem Weg ins individuelle und gemeinschaftliche Glück.
Der Antisemit kritisierte, dass die „Karnivoren“ die eigentlichen Kannibalen der modernen Gesellschaft seien. In Mecklenburg-Vorpommern propagieren die „Nationalen Sozialisten Müritz“ 125 Jahre später: „Nationaler Sozialismus! – Für Mensch, Tier und Natur“ und „Go Vegan“.
Hinweis: ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland