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DER KRIEG KEIN MÄRCHEN

■ Libanesische Literaten in der Reihe „Autoren gegen den Krieg“

Schriftsteller im Krieg? Krieg und Literatur? Autoren gegen den Krieg? Programmatisch hatte die Neue Gesellschaft für Literatur (NGL) die plakativste der drei Formeln gewählt als Titel für ihren auf Jahre geplanten Lesezyklus mit Schriftstellern aus Kriegsgebieten. In dieser Woche stellen sich an vier Abenden Literaten aus dem Bürgerkriegsland Libanon vor. Die Schlagwortzeile „Autoren gegen den Krieg“ sagt allerdings nichts über die komplizierte Lage von Küstlern und Intellektuellen, die sich in 14 Jahren eines auch für sie immer schwerer zu verstehenden Konfliktes ihren Standort suchen müssen. Die vier Gäste aus Beirut, eine Frau, Yumma Al-Eid, und drei Männer, Habib Al-Sadik, Hasssan Abdallah und Samir Saad - sowie der am letzten Abend dazugestoßene Autor Yusuf Naoum machten dem Berliner Publikum deutlich, daß es für sie keine einfachen Lösungen gibt, sich dem Krieg zu verweigern, es sei denn, sie reihten sich ein in das Heer der im Exil lebenden Libanesen.

„Ich teile mit Ihnen das Ziel, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten“, stellte Hildegard Schramm, die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, in ihrer Begrüßung der Litereten fest. Doch die Worte, die der Dichter und Schriftsteller Habib Al-Sadik, Vorsitzender des Südlibanesischen Kulturkongresses, unmittelbar darauf ans Publikum richtete, betonten klar die Diskrepanz zwischen den Idealen einer hiesigen Friedensbewegung und den Realitäten und Reaktionen der libanesischen Autoren, die keiner konkreten Kriegssituation ausgesetzt sind: „Man darf den Krieg nicht absoulut ablehnen“, denn es gäbe gerechten Krieg und ungerechten Frieden. „Krieg und Frieden unterliegen dem Gesetz der Relativität.“

Vom „kreativen Schreiben und wie es sich dem Krieg im Libanon widersetzt“, sprach Yumma Al-Eid, Autorin, Kritikerin ud Professorin für arabische Literatur an der libanesischen Universität Beirut. Sie schilderte, wie sich die Position der Literaten gegenüber dem Krieg verändert habe. Die ursprünglich klare und eindeutige Identifikation der AutorInnen mit dem Opfer, den Getöteten, sei allmählich dem Zweifel gewichen: „Der Überfluß an vergossenem Blut hat das Opfer ertränkt. Die Zahl der Opfer wird grenzenlos und verschwindet im weiten Raum des Tötens.“ Die Grenzen seien verwischt; der Tötende habe inzwischen selbst die Gestalt eines Opfers angenommen.

Gewalt wird auch in der libanesischen Literatur immer kritischer beurteilt: „Ist denn der Widerstand nicht Eintritt in den Krieg, auch wenn er den Krieg bekämpft? Ist nicht die Bekämpfung des Tötens ebenfalls Töten?“ Die Position des Schriftstellers sieht Al-Eid darin, mit dem Schreiben einen Akt des Lebens gegen den vorherrschenden Akt des Tötens zu setzen.

Gegen die „Stereotypisierung des menschlichen Lebens im Libanon heute“ geht der Romancier und Journalist Samir Saad an. Saad ist auch Verleger sowie Zweiter Vorsitzender der Libanesischen Schriftsteller-Union. „Stereotypisiert sind bei uns die Gefühle, die Ängste, die Religionen. Wir leben ein stereotypisiertes Leben mit dem Tod.“ Die Konfessionalisierung der libanesischen Gesellschaft sieht Saad als wichtiges Hindernis auf dem Weg zu Frieden und Demokratie, zumal die Spaltung Libanons in seine religiösen Gruppen ein Produkt der französischen Kolonialherrschaft gewesen ist.

Der 1943 geborene Dichter Hassan Abdallah, dessen Lyrik häufig von dem im Libanon populären Sänger Marcel Khalife musikalisch umgesetzt wird, fand bei dem überwiegend aus arabischen Hörern zusammengesetzten Berliner Publikum großen Anklang. Abdallahs nicht immer leicht zu entziffernden Metaphern beschreiben kleine Szenen des Alltags; unsentimentale Momentaufnahmen und Träume von einer Zukunft, in der „der Krieg ein Märchen sein wird“.

Sissy v. Westphalen

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