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DDR–Fernsehen zeigt Tschernobyl–Film

■ „Die Warnung“ simultan aus dem Russischen übersetzt Brisante Bilder von den Aufräumarbeiten / Gezielte Kritik

Berlin (taz) - Im 1.Programm des DDR–Fernsehens ist am Freitag abend überraschend der sowjetische Dokumentarfilm „Die Warnung“ über die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gezeigt worden. Offensichtlich kam der Film kurzfristig ins Programm, da während der Sendung simultan übersetzt wurde. Der Film zeigt den Reaktorblock nur wenige Tage nach der Explosion.Der Kommentar hob immer wieder den Heldenmut aller Beteiligten hervor, verschwieg aber auch nicht, wie gefährlich die Strahlung für die Einzelnen war. In einer Einstellung wurden Soldaten einer ABC–Einheit gezeigt. Sie führten Aufräumarbeiten durch, für die sie wegen der hohen Strahlung nur eine Minute Zeit hatten. Bergarbeiter aus Moskau gruben einen Tunnel unter das Kraftwerk. Im Bild trugen sie weiße Anzüge und nur einen einfachen Mundschutz. Interviews mit den Arbeitern waren nicht zu sehen, dafür beteuerte der Sprecher mehrmals, sie hätten sich alle freiwillig gemeldet. Gespenstische Aufnahmen zeigte der Film von fluchtartig verlassenen Wohnungen, in denen noch Essensreste auf den Tischen standen. Der knapp über eine Stunde laufende Streifen verheimlichte nicht, daß die örtlichen Behörden tagelang die Wahrheit verschwiegen hatten. Der Chefarzt von Tschernobyl antwortete auf die Frage, warum er die Bevölkerung nicht gewarnt habe, dies hätte nicht in seiner Zuständigkeit gelegen. Der Sprecher warnte eindringlich davor, die Verantwortung immer nur höheren Stellen zu übergeben. Der Chef des Reaktors soll wegen der begangenen Fehler, die zur Katastrophe führten, angeklagt werden. Er bekannte offenherzig: „Die Atomenergetik ist zu früh zu unserer neuen Technik geworden“. sevy

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