: DDR wünscht Kohl alles Gute
■ Vorgeschlagener Umtauschkurs weckt Widerspruch / De Maiziere beharrt auf 1:1
Bonn (ap /dpa /afp /taz) - Angesichts der entsetzten Reaktionen auf den vorgeschlagenen Umtauschkurs von 2:1 vor allem in der DDR - hat Bundeskanzler Kohl alsbald beruhigende Geräusche von sich gegeben: Über den Umtauschkurs der DDR-Mark seien „bisher keinerlei Entscheidungen und Festlegungen getroffen worden“. Gleichzeitig bekannte er sich ausdrücklich „zur Verantwortung gegenüber der Bevölkerung der DDR“.
In einem am Montag veröffentlichten Interview der 'Financial Times‘ hatte Kohl sich allerdings deutlicher ausgedrückt: Die Renten und Löhne in der DDR sollten bei einer Währungsunion zu einem geringeren Kurs als eins zu eins in D-Mark umgetauscht werden. „Es führt zu nichts, wenn man für einen demonstrativ sozialen Kurs Beifall erhält und sechs Monate später einer katastrophalen Wirtschaftslage gegenübersteht“, sagte Kohl. Den Vorwurf des Bruchs von Wahlversprechen scheue er nicht.
Der designierte DDR-Ministerpräsident und CDU-Parteichef Lothar de Maiziere hat vor einer neuen Umsiedlerwelle in die Bundesrepublik für den Fall gewarnt, daß bei einer Währungsunion ein Umtauschkurs von zwei zu eins von Ostmark zu D-Mark festgeschrieben werde.
De Maiziere sagte am Montag in Ost-Berlin nach einer Fraktionssitzung: „Wir werden dann die Leute nur noch mit Schwierigkeiten halten können.“ Die CDU, und damit auch eine von ihr angeführte Regierung, halte an dem Ziel eines Tauschverhältnisses von eins zu eins fest. „Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir klare Aussagen dazu vor der Wahl für unser Handeln getroffen haben, und stehen unseren Wählern gegenüber im Wort. Wir meinen nicht, daß es eine Möglichkeit geben kann, die die Löhne und Gehälter oder gar Renten im Verhältnis von zwei zu eins behandelt.“
Widerspruch gegen den vom Zentralbankrat empfohlenen Umtauschkurs legten unterdessen auch BRD-Außenminister Hans -Dietrich Genscher und sein Kollege Arbeitsminister Norbert Blüm ein. Genscher wandte sich im Deutschlandfunk ausdrücklich gegen einen Umtausch der DDR-Renten zu einem Kurs von zwei zu eins. Angesichts der Durchschnittsrente von 500 Mark sei das nicht akzeptabel. Blüm sagte, über den von der Bundesbank vorgeschlagenen generellen Kurs von zwei zu eins sei noch nicht entschieden; er wies darauf hin, in der DDR solle ein neues Rentensystem geschaffen werden.
FDP-Parteichef Otto Graf Lambsdorff will eine Begrenzung auf Kleinsparer beim Umtausch von DDR- auf D-Mark nicht akzeptieren. Nach einer Präsidiumssitzung erklärte er am Montag in Bonn: „Wenn man überhaupt über Grenzen diskutiert, dann müssen sie deutlich höher liegen.“ Lambsdorff nannte gestaffelte Verfügungsbeschränkungen notwendig. Ein Umtauschsatz könne höchstens als „Hilfsgröße“ zeitweilig gelten. Eine gesonderte Lösung sei bei den DDR-Renten notwendig.
Für die SPD fand der designierte Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine harte Worte. Er warnte Kohl vor einem „dreisten Wählerbetrug“, wenn entgegen seinen im DDR-Wahlkampf gegebenen „Versprechungen“ Löhne und Renten zum Kurs von 2:1 umgetauscht werden sollten. Es sei unredlich, wenn Kohl jetzt behaupte, er habe nie einen Kurs von eins zu eins versprochen. „Kohl ist - und das wußte und wollte er - von den Bürgern in der DDR so verstanden worden.“
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