■ DDR-Endlager Morsleben wird endlich gerichtlich geprüft: Ein später, aber schöner Erfolg
Sieben Jahre nach der hochwillkommenen Übernahme der als Atomendlager zweckentfremdeten DDR-Kaligrube Morsleben durch die Bonner Nuklearlobby verlangt das Bundesverwaltungsgericht die richterliche Überprüfung ihrer Sicherheit. Natürlich gab es inzwischen Gutachten en masse. Doch die letzte Interpretationsgewalt über die Ergebnisse übten regelmäßig jene aus, die als einzige Priorität die Abwendung des nuklearen Entsorgungsnotstands im Auge hatten. Damit könnte nun Schluß sein.
Daß Honeckers Atommüllkippe in der alten Bundesrepublik nie und nimmer genehmigungsfähig gewesen wäre, bestreitet ernsthaft niemand. Schon die realsozialistischen Gutachter hatten einst Bedenken angemeldet, ebenso wie später die Experten der Bundesregierung. Letztlich obsiegte jedoch die reizvolle Perspektive, die Entsorgungsblockade im Westen in nichts aufzulösen. Rein, was rein geht – und solange es geht, lautet seither die Parole Bonns.
Aber für die „Langzeitsicherheit“ der Kaligrube mag derzeit kein seriöser Experte die Hand ins Feuer legen. Auf sie kommt es aber letztlich an, und auch über sie muß jetzt das Oberverwaltungsgericht Magdeburg richten. Denn wenn ein Atomendlager voll ist, können die Betreiber nicht einfach den Schacht zubetonieren und nach Hause gehen. Zuvor muß nachgewiesen werden, daß eine Verseuchung des Grundwassers über Jahrtausende ausgeschlossen ist. Mißlingt der Nachweis, heißt es schlimmstenfalls: „Strahlenmüll retour“, zurück an die Oberfläche. Das wäre, angesichts der jahrzehntelangen Lagerpraxis in Morsleben – der Müll wurde teilweise einfach von oben in die Hohlräume abgekippt –, der Super-GAU.
Bundesreaktorministerin Angela Merkel müht sich derzeit, mit dem freischwebenden SPD-Autisten Gerhard Schröder im Schlepptau die Atommüllagerung in Morsleben über das Jahr 2000 hinaus bis 2005 zu verlängern. Ohne vorherigen Nachweis der Langzeitsicherheit. Dazu müßte der Bundestag in Bonn das Atomgesetz ändern und der Bundesrat nicken. Der Gedanke ist nicht ohne Reiz: Nach Jahren zähen Ringens verständigen sich Union und Sozialdemokraten auf einen Entsorgungskonsens, Morsleben-Verlängerung inklusive. Wenig später erklären die Magdeburger Richter das Strahlenlager für ungeeignet und gefährlich. Das wäre doch auch ein schöner Erfolg. Die Politik hätte einmal mehr das Ansehen bestätigt, das sie derzeit genießt. Gerd Rosenkranz
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