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DDR-Außenhandel

■ EG-Integration und RGW-Desintegration

Brüssel/Berlin (adn) - Gestern beriet die EG-Kommission auf einer Sondersitzung in Brüssel über ihre Vorschläge zur wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Integration der DDR in die Europäischen Gemeinschaften. Für den Fall eines schnellen Beitritts der DDR zur Bundesrepublik wird das Maßnahmepaket voraussichtlich zunächst provisorisch in Kraft treten, noch bevor die Regierungen der EG-Länder sowie das Europaparlament endgültig darüber befinden.

Die Vorschläge der EG-Exekutive enthalten für das Gebiet der heutigen DDR eine Fülle von Übergangsregelungen. Diese betreffen unter anderm in der DDR hergestellte Lebensmittel und Chemieerzeugnisse, die nicht den EG-Normen entsprechen. Die erforderliche Anpassung an den EG-Standard soll hier bis Ende 1992 erfolgen. Längere Übergangsfristen bis 1995 sind vorgesehen für die Übernahme der Umweltauflagen der Gemeinschaft.

Auch für die Handelsvereinbarungen DDR-Sowjetunion gibt es Ausnahmebestimmungen. Bis Ende 1991, eventuell bis 1992 soll die UdSSR nach Vorstellung der EG-Kommission weiter zollfrei in das Gebiet der bisherigen DDR liefern können.

Die finanziellen Auswirkungen der Einbindung der DDR in die Gemeinschaft werden den Berechnungen der EG-Exekutive zufolge begrenzt sein. Es wird davon ausgegangen, daß die jährlichen Extraausgaben für die DDR im Zeitraum 1991-1993 umgerechnet etwa vier Milliarden DM betragen.

Das Wirtschaftsministerium der DDR wird von westdeutscher Seite gedrängt, Stellung zu halten in den Außenhandelsbeziehungen zu RGW-Ländern. In einem 'adn' -Gespräch hat der Osteuropa-Handelsexperte im DDR -Wirtschaftsministerium, Dietrich Lemke, die Wichtigkeit eines Ausbaus der traditionell guten Wirtschaftsbeziehungen mit den RGW-Ländern auch im künftig vereinten Deutschland betont.

Die Ursachen für die Spannungen im Handel mit der Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und weiteren RGW-Ländern lägen in der konsequenten Anwendung von Weltmarktbedingungen in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. In Vorbereitung auf das Jahr 1991 prägten bereits jetzt das Einstellen auf gegenseitige Zahlungen in konvertierbaren Devisen zu Bedingungen des Weltmarktes in Zahlungs- und Finanzbeziehungen, die Abkehr vom automatischen Sofortbezahlungsverfahren der Vergangenheit, kurz, die international üblichen Zahlungs- und Geschäftsbedingungen zunehmend den Handel auch zwischen den osteuropäischen Staaten. Das geschehe nahezu ohne staatliche Regulierungen und Eingriffe in voller Eigenverantwortlichkeit der Betriebe.

Die Einführung der Währungs- und Wirtschaftreform in der DDR habe diesen Prozeß außerordentlich beschleunigt, betonte der Unterabteilungsleiter. Die konvertierbare Währung in der DDR habe die praktischen Entscheidungsmöglichkeiten der Betriebe im Import radikal verändert. Unvergleichlich stärker als in der Vergangenheit sei von Gewicht, ob ein Erzeugnis internationalem Standard entspreche. Qualität, Preis, Kundendienst und Ersatzteilversorgung seien unverzichtbare Entscheidungskriterien in einer Zeit, in der schärfstens kalkuliert werde, weil auch davon das wirtschaftliche Überleben der DDR-Unternehmen abhänge. Auch veränderte Verbrauchergewohnheiten, gestiegene Ansprüche an die Attraktivität der Waren bis zur Verpackung würden stärker als bisher Tribut fordern. „Das alles hat in einem nicht voraussehbaren Umfang dazu geführt, daß seit 1.Juli 1990 Importverpflichtungen nicht eingehalten beziehungsweise neue Importverträge aus RGW-Ländern nicht abgeschlossen werden. Die Folge ist ein in den letzten Monaten schnell angewachsenes Aktivsaldo der DDR“, resümierte Lemke. Der Rückgang konzentriere sich auf den Import.

Ein Ausgleich dieser Salden 1991 durch erhöhte Warenlieferungen der Partnerländer werde jedoch immer schwieriger, da der deutsche Markt sich als ein außerordentlich anspruchsvoller erweise. Das Mutmaßen in einigen Ländern, die DDR wolle diese Aktivsalden gewissermaßen als „Mitgift“ in das vereinte Deutschland einbringen, trifft nicht zu, versicherte der Experte. Etwaige Eingriffe von DDR-Seite in Vertragsbeziehungen des Exports zum Vermeiden höherer Aktivsalden wären ein Verstoß gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes gewesen. Ohnedies hätten staatliche Organe nach Aufhebung des Gesetzes über den Außenhandel (Außenhandelsmononopol) in der DDR dazu gar keine Vollmacht gehabt.

Der Handelsgrundsatz, demzufolge Verträge einzuhalten sind, bleibe das Bestimmende. Die Auflösung eines Vertrages sei nur einvernehmlich möglich, weil in der Regel auch billiger, als sich den nicht abzuweisenden Forderungen der Partner nach Schadenersatz und Konventionalstrafe zu stellen.

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