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DDR-Atomfriedhof ein Milliardengrab

■ Nach der Flucht der Stromwirtschaft vor den DDR-Atomruinen erwartet Bundesreaktorminister Töpfer Milliardenkosten für den Staat/ Nachrüstung und Stillegung müssen von Bonn bezahlt werden

Berlin (taz) — Das voraussichtliche Ableben der DDR-Atomwirtschaft wird den Hinterbliebenen in Bonn Milliarden kosten. Davon geht Bundesumweltminister Klaus Töpfer aus, der gestern den Alt- und Neureaktoren in Greifswald, Rheinsberg und Stendal kaum mehr Zukunftsaussichten einräumen wollte.

Nachdem die bundesdeutschen Stromkonzerne die maroden Atomkraftwerke und Reaktorbaustellen aus ihrem DDR-Engagement ausdrücklich ausgenommen hätten, müsse letztlich Bundesfinanzminister Theo Waigel als oberster Kontrolleur der Treuhandanstalt für die künftigen Kosten geradestehen, sagte Töpfer in Bonn.

Nicht abschätzbar sind zunächst die Summen für den künftigen Abriß oder „sicheren Einschluß“ des Uralt- Meilers in Rheinsberg und der vier 440-Megawatt-Druckwasserreaktoren in Greifswald. Drei der Blöcke an der Ostsee stehen bereits still, der letzte soll noch bis November die Fernwärmeversorgung der Region sicherstellen. Eine spätere Wiederinbetriebnahme der vier Meiler schloß Töpfer aus „ökonomischen Gesichtspunkten“ praktisch aus. Die notwendigen Nachrüstungen und das atomrechtliche Genehmigungsverfahren würden viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Andererseits sei ein Weiterbetrieb über den 30. Juni 1995 hinaus laut Einigungsvertrag unter keinen Umständen möglich.

Auch für den neuen Block V — dessen Probebetrieb im letzten Jahr nach einem schweren Störfall bis heute unterbrochen werden mußte — und die Blöcke VI bis VIII in Greifswald, sowie die ebenfalls im Bau befindlichen 1.000-Megawatt-Reaktoren in Stendal wird Bonn auf jeden Fall zur Kasse gebeten: Entweder als Bauherr, weil die Stromkonzerne die Meiler nur schlüsselfertig (inklusive Dauerbetriebsgenehmigung) übernehmen wollen oder als Adressat von Konventionalstrafen der sowjetischen Reaktorhersteller. Die fest vereinbarten Verträge mit der UdSSR sollen sich auf sieben Milliarden Mark belaufen. Auf eine Abschätzung der insgesamt auf die Bundesrepublik zukommenden Kosten wollte sich Töpfer nicht einlassen. Jedenfalls sei das alles „nicht aus der Portokasse zu zahlen“.

Töpfer äußerte sich auch zum umstrittenen fünften Reaktorblock in Greifswald, den die Ostberliner Regierung offenbar über die deutsch- deutsche Einigung retten will. Auch hier sei mit „ganz erheblichem Nachrüstbedarf“ zu rechnen, meinte der Bonner Oberaufseher. Die Treuhandanstalt als derzeitiger Betreiber müsse nachweisen, daß eine Wiederaufnahme des Probebetriebs sicherheitstechnisch zu verantworten sei.

Die Diskussion über die Sicherheit der DDR-Reaktoren könnte schon bald darmatische Rückwirkungen auf die Atomenergienutzung in ganz Osteuropa haben: Dort stehen insgesamt 26 Blöcke der Greifswald- Reihe. Gerd Rosenkranz

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