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Archiv-Artikel

DAS GENERATIONEN-ARGUMENT WIRD BEIM PFLEGEZUSCHLAG ZUR LUFTBLASE Zielgruppe Rentner

Da ist sie wieder, die Politik nach Rentenbescheid. Wer vor 1940 geboren wurde, braucht keinen Zuschlag zur Pflegeversicherung zu zahlen. Begründung: Die Jahrgänge bis 1940 hätten genug Kinder bekommen. Da könne man sie pauschal vom Kinderlosen-Malus aus Karlsruhe ausnehmen. Dieses Argument ist so schlecht wie durchsichtig. Es zeigt aber deutlich, dass der Begriff „Generationengerechtigkeit“ der Bundesregierung als Joker dient, der immer gezogen wird, wenn ihr nichts anderes einfällt, um ihre Sozialpolitik zu rechtfertigen.

Als man den Pflegeversicherungsbeitrag für Rentner Anfang des Jahres verdoppelte, hieß es „Generationengerechtigkeit“. Das hatte was für sich: Die gesamte Rentnergeneration profitiere von der Pflegeversicherung. Denn alle haben Anspruch auf Leistungen, nur die wenigsten haben jedoch eingezahlt. Nun muss man den Pflegebeitrag wieder erhöhen, und wieder heißt es „Generationengerechtigkeit“. Nur umgekehrt – denn jetzt dient die insgesamt größere Kinderzahl der Senioren dazu, sie vor Zumutungen zu bewahren. Tatsächlich geht es darum, dass von den Sozialstaatsumbauten nun einmal auch 20 Millionen Rentner betroffen sind – und damit die dreißig treueren Prozent des Wahlvolks. Rentner sind leicht reizbar und lesen ihren Rentenbescheid genau. Mit dem ganzen Trara um Arbeitsplätze haben sie nichts mehr zu tun, nehmen jedoch jedes Zerren an den Sozialsystemen als Minusposten wahr. Multipliziert mit dem Faktor Medikamentenkosten, ergibt sich daraus Wut auf die SPD.

Wenn die heutigen Rentner vom Kinderlosenzuschlag pauschal befreit werden, ist das bestenfalls ein Zugeständnis daran, dass sie erstens dieses Jahr schon draufgezahlt haben und zweitens Mitte nächsten Jahres auch den Zahnersatz- und Krankengeldzuschlag zahlen werden.

Mit Generationengerechtigkeit und Kinderproduktion aber hat das nicht das Geringste zu tun. Der gesamte demografische Diskurs wird im politischen Geschäft zur Luftblase. Mögen sich die Experten redlich mühen, die Generation als neue politische Kategorie zu ergründen – wer regiert, kennt nur drei Kategorien: Zielgruppe, Belastungsfähigkeit, Wahltermin. ULRIKE WINKELMANN