: D O K U M E N T A T I O N Rebmanns Angebot an RAF–Aussteiger
■ Stellungnahme von Generalbundesanwalt Prof. Dr. Rebmann zum Problemkreis „RAF–Aussteiger“ aus Anlaß des Interviews des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit der Zeitschrift Pflasterstrand
(...) Das BfV hat zu Recht darauf hingewiesen, daß vor einer Selbstgestellung durch Kontaktaufnahme mit einer Sicherheitsbehörde der Umfang der eigenen Tatbeteiligung, also die Schwere der Schuldvorwürfe, weitgehend klargestellt, evtl. reduziert oder sogar ausgeräumt werden kann. Bei der Frage, wie man einem auf freiem Fuß befindlichen „Aussteiger“ entgegenkommen kann, sind bei der gegenwärtigen Rechtslage zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Wenn ein „Aussteiger“ sich nur wegen Gründung oder Mitgliedschaft in der „RAF“ oder wegen Unterstützung oder Werbung für sie strafbar gemacht hat, kann nach dem Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen ganz von Strafe abgesehen oder eine Strafmilderung gewährt werden. Anders liegt es dagegen dann, wenn dem „Aussteiger“ über seine terroristische Verstrickung hinaus schwere Delikte der klassischen Kriminalität, z.B. Mord, Totschlag, Raub mit Waffen, Geiselnahme, zur Last liegen. Hier bin ich nach dem für mich zwingenden Legalitätsprinzip der Strafprozeßordnung verpflichtet, solche Straftaten anzukla gen und dafür die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessene Strafe zu beantragen. Das Gesetz läßt hier weder dem Staatsanwalt noch dem Gericht einen Spielraum für ein gänzliches Absehen von Strafe. Bei der konkreten Strafzumessung können aber eine Selbstgestellung und ein Geständnis - außer Mord, wo grundsätzlich die lebenslange Freiheitsstrafe angedroht ist - in erheblichem Umfang berücksichtigt werden. Wenn sich ein „RAF“–Mitglied, das zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, glaubwürdig, nachvollziehbar und vielleicht sogar noch durch öffentliche Erklärung eindeutig von Terrorismus und Gewaltanwendung losgesagt hat, ist eine Entlassung aus der Haft nach Verbüßung von 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe und unter ganz besonderen Voraussetzungen sogar schon nach der Hälfte möglich. Beispiele hierfür sind die Haftentlassungen nach 2/3–Verbüßung der Rechtsanwälte Horst Mahler und Siegfried Haag sowie Till Meyer. Bei Verurteilungen wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe gibt es nach dem Gesetz eine 2/3–Automatik aber nicht. Hier hat das Gericht von Gesetzes wegen nach 15 Jahren Strafverbüßung insbesondere zu prüfen, ob nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Strafvollstreckung gebietet. Aufgrund dieser Regelung des Strafgesetzbuches werden auch andere Mörder nicht automatisch nach 15 Jahren entlassen. Es wäre unter Gesichtspunkten der Gerechtigkeitserwartung der Opfer bzw. ihrer Angehörigen und überhaupt aller Bürger nicht vertretbar, für terroristische Mörder eine Sonderregelung einzuführen. Ich habe schon immer den Standpunkt vertreten, daß terroristische Gewalttäter wie andere kriminelle Straftäter zu behandeln sind; dies gilt für das Strafverfahren, die Strafvollstreckung, den Strafvollzug und auch im Hinblick auf eine etwaige vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft. (...) Eine noch weitergehende gesetzliche Strafmilderung oder gar ein gänzliches Absehen von der Strafe bei „Aussteigern“ aus dem Terrorismus, die klassische Straftaten begangen haben, wäre nur dann möglich, wenn der Gesetzgeber die von mir befürwortete sogenannte Kronzeugenregelung schaffen würde.
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