: D O K U M E N T A T I O N Mehr Dialog von unten
■ Eine Erklärung der „Berliner Initiative Ost–West–Dialog“ anläßlich zum Honecker–Besuch Die aus der Alternativen Liste entstandene „Berliner Initiative Ost–West–Dialog“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen blockübergreifenden Dialog der europäischen Friedensbewegung zu organisieren. Der Gruppe gehören ehemalige DDRler an. Die taz dokumentiert Auszüge ihrer Erklärung.
(...) 1. Wir begrüßen jeden Schritt der DDR–Regierung, der zum Abbau atomarer Kurz– und Mittelstreckenraketen, zur Beseitigung chemischer und konventioneller Waffen in West– und Osteuropa beiträgt. Nach unserem Eindruck hat die Politik Honeckers hier in den letzten Jahren den Falken im eigenen Militärbündnis entgegengewirkt. 2. Wir sehen in der Tatsache, daß heute mehr DDR–Bürger auch unterhalb des Rentenalters in den Westen reisen dürfen, ein positives Zeichen. 3. Der Spielraum für Äußerungsmöglichkeiten staatsunabhängiger Friedens–, Umwelt– und Menschenrechtsinitiativen hat sich in der DDR - gemessen am Zustand der 70er Jahre - vergrößert. Dies war aber kein Geschenk der Obrigkeit, sondern ist Ausdruck einer veränderten politischen Lage, zu der die Menschen in diesen Initiativen beigetragen haben. (...) 4. Wir begrüßen ausdrücklich die Aussage Honeckers, „... die DDR wird mit allen Kräften in der BRD sprechen, die dort etwas zu sagen haben, ob sie uns gefallen oder nicht, ob sie an der Regierung sind oder nicht“. Allerdings meinen wir, daß diese Haltung auch im Verhältnis zu den Kritikern im eigenen Land gelten sollte. (...) 5. Nach wie vor kann in der DDR von einer Garantie der Meinungs–, Versammlungs–, Presse– und Reisefreiheit keine Rede sein. Mit Hilfe der politischen Strafjustiz gelingt es dem Herrschaftsapparat in der DDR immer wieder, unliebsame Kritiker einzuschüchtern, Berufsverbote auszusprechen, Verhaftungen durchzusetzen und Gefängnisstrafen zu verhängen. (...) Die von der SED unter maßgeblicher Verantwortung Erich Honeckers 1961 errichtete Mauer durch Berlin hat bis heute nichts von ihrer schrecklichen Wirkung verloren. Sie bleibt ein durch die SED–Politik verursachtes Unrecht, für das allerdings auch der Westen durch seine damalige Politik eine Mitverantwortung trägt. Zwar sind die Erfolge der Entspannungspolitik Ende der 60er Jahre gerade in dem von der Ost–West–Konfrontation besonders betroffenen Berlin konkret spürbar. Um aber die Grenzen immer durchlässiger zu machen und die Mauer zu überwinden, bedarf es weitergehender entspannungspolitischer Initiativen von „oben“ und von „unten“ (...). Vermehrte Reisegenehmigungen für DDR–Bürger sind nur zu begrüßen. Aber an dem Zustand, auf die Gnade des Staates angewiesen zu sein, (...) ändert sich wenig. (...) Konkret erwarten wir von der Regierung der DDR die Aufhebung politisch motivierter Einreiseverbote, uneingeschränkte Reisemöglichkeiten, Austausch von Büchern und Zeitschriften, Glasnost bei Daten über Umweltzerstörung und Gefahren radioaktiver Strahlung und den schrittweisen Ausstieg aus der Atomindustrie. (...)
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