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D O K U M E N T A T I O N Die Zeichen der Zeit begreifen lernen

■ In einem Hirtenbrief, der gestern von allen Kanzeln des Bistums verlesen wurde, fordert der Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, zur Solidarität mit Asylsuchenden auf

Unsere Zeit ist reich an Rekorden - nicht nur des Fortschritts, sondern auch des Elends. 15 Millionen Menschen sind gegenwärtig aus ihrer Heimat geflohen. Etwa 100.000 von ihnen werden in diesem Jahr in die Bundesrepublik kommen. Hier sind wir nicht nur als Bürger unseres Staates gefragt, sondern vorab als Christen. (...) Verantwortung für die Welt Vom Evangelium her wird die gegenwärtige Situation zu einer Herausforderung an unsere Christlichkeit. Wir können uns die Not und das Elend der übrigen Welt nicht vom Halse halten, wir können nicht so tun, als lebten wir in unserem Land auf einer Insel der Sicherheit und des Wohlstandes. In Wirklichkeit rücken uns mit den Flüchtlingen zugleich die Ursachen ihrer Flucht auf den Leib: Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung und Benachteiligung, Ungerechtigkeit und Armut. Wir erfahren unmittelbar, was alles in unserer Welt los ist. Die Flüchtlinge lehren uns aber auch, daß wir alle in einem Boot sitzen. Unsere nationalen Interessen lassen sich nur noch mit, nicht gegen die Interessen der Länder der Dritten Welt wahren und fördern. Je mehr wir dazu beitragen, die Ursachen der Flüchtlingsströme dort zu bekämpfen, desto weniger Flüchtlinge wird es auf Dauer geben. (...) Wenn wir heute nicht bereit sind zu teilen, werden die Armen sich morgen holen, was sie brauchen. Die Ankunft der notleidenden und hilfesuchenden Fremden hierzulande sollten wir als Zeichen der Zeit begreifen. Sie könnte ein ebenso schmerzhafter wie letztlich heilbringender Anstoß werden auf dem Weg zu einer einigen Welt für alle Menschen. (...) Die weitaus meisten Flüchtlinge kommen aus Ländern, in denen Krieg, Terror oder Hunger herrschen. Gerade die Menschen der Dritten Welt hängen an ihrer Heimat und ziehen nicht ohne Not in die Fremde. (...) Wir dürfen uns als Christen und als Kirche nicht mit dem Hinweis auf staatliche Stellen aus unserer Verantwortung davonstehlen. Es gibt Pfarrgemeinden, Gruppen und einzelne Christen, die uns mit gutem Beispiel vorangehen. Von ihnen können wir lernen, was zu tun ist: 1. (...) Ich bitte die synodalen Gremien und die Verbände, nach Kräften mitzuhelfen, über die Lage der Flüchtlinge in aller Welt und auch bei uns sachkundig aufzuklären. 2. (...) Versuchen Sie in Erfahrung zu bringen, wo in Ihrer Gemeinde Flüchtlinge und Asylanten leben und wie sie leben. Laden Sie diese zu Gesprächen, zu gemeinsamen Festen und Gottesdiensten ein. (...) 3. Suchen Sie Kontakt zu den Gruppen, die sich bereits um die Flüchtlinge kümmern. (...) 4. Ich bitte alle betroffenen Pfarrgemeinden, Ordnungsgemeinschaften und sonstigen kirchlichen Stellen, mit den jeweiligen Behörden zusammenzuarbeiten, um Unterbringungsprobleme von Asylbewerbern so gut wie möglich zu lösen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 500.000 leerstehende Wohnungen, darunter auch solche, die kirchlichen Institutionen gehören. (...) Limburg, am Fest der Hl. Hildegard, dem 17. September 1986 Franz Kamphaus, Bischof von Limburg

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