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■ D I E A N D E R E N
Liberation
Zur Bonner 2 + 4-Konferenz schreibt die linksgerichtete französische Zeitung:
Für den Westen wird die Schwierigkeit darin bestehen, Gorbatschow zu schonen, ohne deshalb Konzessionen über den künftigen Status Deutschlands zu machen und gleichzeitig ein Auge auf die Deutschen zu haben, deren Öffentlichkeit aufgeschlossen gegenüber allen Vorschlägen sein könnte, die es ihnen ermöglichen, die 'Schutzmächte‘ loszuwerden. Das Hauptargument des Westens in dieser Angelegenheit ist schließlich dasselbe, das die Tschechoslowaken, Ungarn und Polen gegenüber den Sowjets vertreten haben: besser ein vereinigtes Deutschland innerhalb der Nato, das den Zwängen und Beschränkungen eines heute nicht mehr bedrohlichen Bündnisses gehorchen muß, als ein autonomes Deutschland, das Bewegungsfreiheit hat und Großmachtversuchungen unterliegen könnte. Weniger als einen Monat vor dem Gipfel Bush -Gorbatschow wird Deutschland der Testfall für die neuen Ost -West-Beziehungen. Angesichts der innenpolitischen Schwierigkeiten Gorbatschows ist der Zeitpunkt denkbar ungünstig. Aber niemand anderer als die schnelle Entwicklung der letzten Monate hat diesen Zeitplan erforderlich gemacht. Jedenfalls wird eine große Portion Diplomatie nötig sein, damit zwei plus vier eins ergeben: ein einiges Deutschland, das in einem stabilen Europa keine Bedrohung für seine Nachbarn darstellt.
Neue Zürcher Zeitung
Zum Thema deutsche Einigung und europäische Sicherheit schreibt die liberal-konservative Schweizer Zeitung:
Die Schwierigkeit eines künftigen europäischen Sicherheitskonzeptes liegt nicht so sehr beim deutschen Partner als bei der Sowjetunion. Sie ist militärisch die weitaus stärkste Macht, ganz unabhängig davon, welche Beschränkungen für Truppen und schweres Material im europäischen Zentralbereich künftig vereinbart werden. Von ihrem weiteren Verhalten und vom Schicksal ihrer gegenwärtigen Führung wird es weitestgehend abhängen, ob eine gesamteuropäische Friedensordnung, die diesen Namen verdient, weil sie Ordnung aufrechterhalten und Konflikte beilegen kann, je denkbar erscheint. Eine europäische Organisation, die notfalls eine Sowjetunion unter Gorbatschows Nachfolgern zur Ordnung zu rufen vermöchte, ist zweifellos noch auf lange Sicht hinaus eine Utopie. Ganz sicher kann die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in ihrer heutigen und wohl auch künftigen Form diese Aufgabe nicht übernehmen.
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