INTERVIEW: „Cry Exploitation“ – die zweite Ausbeutung
■ Sam Mabe, schwarzer Kolumnist der größten liberalen Tageszeitung Südafrikas Star, zu „Cry Freedom“
taz: Sie haben sich den Film, der in Südafrika wahrscheinlich nicht gezeigt werden darf, in Zimbabwe angesehen und anschließend eine Kritik mit dem Titel „Cry Exploitation“ geschrieben. Was haben Sie an dem Film auszusetzen?
Sam Mabe: Ich hatte das Gefühl, daß Donald Woods seine Beziehung zu Steve Biko in dem Film ausbeutet und dazu benutzt, selbst internationale Berühmtheit zu erlangen, während die Situation der Schwarzen in dem Film nicht so dargestellt wird, wie sie für uns aussieht. Es gibt eine ganze Reihe Passagen, in denen unser Kampf falsch dargestellt wird. Was zum Beispiel die am 19.Oktober vom Apartheids- Regime erlassenen Verbote angeht, so erfahren wir lediglich von dem Hausarrest für Donald Woods, nicht aber, daß gleichzeitig 18 Organisationen und zwei schwarze Zeitungen verboten wurden, die alle Bikos „Black Consciousness“-Bewegung zuzurechnen waren. Einen Film über die Person Bikos zu drehen und dabei seine Philosophie so sträflich zu vernachlässigen wird weder der „Black Consciousness“-Bewegung noch dem gesamten Kampf aller Schwarzen in Südafrika gerecht.
Auch innerhalb der „Black Conscious ness“-Bewegung gab es verschiedene Fraktionen. War Biko bei seinen Kontakten zu weißen Liberalen wie Woods auf dem moderateren Flügel der Bewegung angesiedelt?
Ich habe Biko nicht selbst gekannt, ich weiß nur, daß es eine Menge Fehlinterpretationen und –darstellungen dieser Philosopie gibt. Einige haben versucht, sie als schwarzen Rassismus hinzustellen. Biko dagegen hat immer betont, daß er keinen persönlichen Haß gegenüber den Weißen hege. Wer den Haß gegen die Weißen predigt, kann sich nicht auf die Philosophie des „Black Consciousness“ berufen. Diese besagt nur, daß Schwarze für sich alleine operieren sollen, daß ihnen die Möglichkeit gegeben werden muß, sich selbst zu regieren und über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen.
Wie unterscheiden sich die Reaktionen der verschiedenen politischen Gruppierungen der Schwarzen auf die Produktion eines solchen Films?
Diejenigen, die nicht dieser Philosophie anhängen, werden über den Film nicht gerade begeistert sein, weil sie der „Black Consciousness“-Bewegung zu neuer Publicity verhilft. Ihre Anhänger werden den Film dagegen grundsätzlich begrüßen, auf die Rolle des Donald Woods jedoch mit großem Zynismus reagieren. Denn Woods bestätigt ja genau den Verdacht, den Biko gegenüber der Rolle weißer Liberaler im Kampf der Schwarzen hegte, daß sie nämlich diesen Kampf nur zur Durchsetzung ihrer eigenen, persönlichen Ambitionen benutzen.
Was halten Sie von dem Argument, daß der Film – soviele Kritikpunkte es an ihm auch geben mag – ein Publikum erreicht, daß sich sonst nie für die Vorgänge in Südafrika interessieren oder von ihnen erfahren würde?
Ich rechne es Richard Attenborough hoch an, daß sein Film genau diese Funktion in hohem Maße erfüllt hat. Ich bin nicht grundsätzlich gegen solche Filme. Mein Problem ist nur, daß Donald Woods „Cry Freedom“ dazu benutzt, seine eigene Karriere zu fördern. Davon abgesehen war der Film gerade zu gegenwärtigen Zeitpunkt unseres Kampfes in Südafrika sehr nützlich, wo kaum etwas, daß hier vor sich geht, nach außen dringt. Filme und Theaterstücke sind da oft die wichtigste Form der Übermittlung. Das Interview führte Rolf Paasch
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