Couchpotatoe: Sommerloch rettet Tour
■ „Putzig“ ist noch das Harmloseste, was ein taz-Praktikant zu hören bekommt angesichts seiner Liebe zum Radportfernsehen
Ich hätte es bei meiner Praktikumsplanung schon ahnen können. Wär ich bloß zum kicker gegangen und nicht zur einer so sportignoranten Zeitung wie die taz. Außer ein paar Zeilen über den SV Werder nehmen die Leibesübungen bei der taz bremen keinen großen Platz ein. Dementsprechend spiegelt sich das Interesse der Redaktion für einzigartige Sportereignisse wie die Tour de France wider. Nun habe ich aber in diesen Tagen eigentlich nichts anderes im Kopf. In meiner neuen Umgebung bin ich mit diesem Enthusiasmus allein. Hoffnungslos scheitert jeder Versuch, ein Gespräch auf das Thema zu lenken. Auch die Bremer Mitbewohner denken bei Armstrong noch an den Mann im Mond. „Radrennen im Fernsehen? Da ist ja selbst Fußball spannend gegen“, bekomme ich zu hören. Natürlich ist Fußball das Nonplusultra, aber doch nicht während der Tour! Am Dienstag stand nun die Königsetappe nach L'Alpe d–Huez auf dem Plan. Der Gedanke, sie, den Mythos überhaupt, zu verpassen, erzeugte Schwindelanfälle und Magenschmerzen. Zu allem Unglück steht in meiner vorübergehenden WG kein vernünftiger Fernseher. Sollte ich tatsächlich nur via SMS vom Tag der Tage erfahren? Die Liebste im heimischen Hannover informierte mich schon den ganzen unruhigen Vormittag über den aktuellen Stand. Nervös rutschte ich bei jedem Handyklingeln auf dem Stuhl hin und her.
Sommerloch sei Dank konnte ich die Redaktionsräume früh genug verlassen. Doch wo sollte ich Jan Ullrich auf den Berg helfen? Eine Sportkneipe mit Großbildleinwand hatte ich in meinen ersten Bremer Tagen noch nicht aufgetrieben. Gleich nach Hause zu fahren erschien sinnvoller, als eine passende Tribüne in der Hansestadt zu suchen. Ein Erik Zabel gleicher Sprint führte mich zum Bahnhof. Der ICE gab sein Bestes und ich konnte die letzten 50 Kilometer live verfolgen. Nur der flinke Texaner Armstrong verdarb mir meine Freude, hatte ich mir doch für Jan die Fingernägel weggekaut.
Für meinen Einsatz erntete ich in der Redaktion gestern Morgen nur ein Lächeln. Die Ahnungslosen wissen allerdings noch nicht, dass sich die Toureuphorie wie ein Virus verbreitet. In ein paar Tagen werden alle Termine nach den Zielankünften gelegt und der Velotross spurtet durchs Medienhaus an der Schlachte. Garantiert! Florian Fiene
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