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Costa – eine Pleite für den Vulkan

■ Seebeck-Vulkan intern – aus dem vertraulichen Bericht des Konkurs-verwalters / Teil 1: Wie falsch der große Luxus-Kreuzliner kalkuliert wurde

Über die Hintergründe des Vulkan-Konkurses wird viel gerätselt, selbst Insider tappen in wichtigen Fragen noch im dunkeln. Der taz liegt der interne Zwischenbericht des Bremerhavener Konkursverwalters Dr. Wolfgang van Betteray für die Gläubiger der Schichau-Seebeck-Werft (SSW) vor. In einer kleinen Serie wollen wir aus dem Innenleben des Konkurses plaudern. Heute: das Pleite-Projekt Costa I.

Als die „Costa Victoria“ Mitte Juli dem italienischen Reeder übergeben wurde, da überschlugen sich die PR-Abteilungen des gerade untergegangenen Vulkan-Verbundes in Superlativen: „Das größte Kreuzreiseschiff, das bisher für den europäischen Markt gebaut wurde“, das „neue Flagschiff der italienischen Passagierschiffs-Flotte“, das „größte Passagierschiff, das jemals in Deutschland gebaut wurde“ und so weiter. 14 Decks hat der Kreuzliner, 51 Meter hoch ragt der Schornstein, 2.250 Passagiere können sich in Restaurants, Bars, zwischen Theatersaal und Marmorbad verwöhnen lassen, und dabei fährt das Schiff „so ruhig und so vibrationsfrei, daß ich manchmal aus dem Fenster sehen mußte, um mich zu vergewissern, daß wir fahren“, freute sich Projektleiter und Lloyd-Chef Lüken.

In dem vertraulichen Zwischenbericht des Konkursverwalters van Betteray von Anfang Juni liest sich die Geschichte der Costa ganz anders: Vorwurf Nummer eins. Die Pleite des Vulkan wurde auch von einer völlig falschen unternehmerischen Grundentscheidung beschleunigt. Eine der „Ursachen der Insolvenz“ sei der „Einstieg des Konzerns in das Marktsegment Bau großer Kreuzfahrtschiffe“, schreibt der Konkursverwalter. 160 Millionen Verlust würden auf die vier Vulkan-Töchter verteilt übrig bleiben, wenn der Reeder seine 600-Millionen-Rechnung bezahlt hat – also rund 26 Prozent des End-Kaufpreises. Wenn man die Verlust-Summe, die allein bei den Vulkan-Verbundfirmen hängen bleibt, auf den Wertschöpfungsanteil des Vulkan selbst bezieht, ergibt sich ein noch erheblich höherer Prozentsatz.

Vorwurf Nummer zwei: Der Vulkan hat sich mit dem Costa-Auftrag übernommen, die innerbetriebliche Organisation war komplett überfordert. „Wesentliche Ursachen“, schreibt von Betteray, ist in erster Linie die Größenordnung des Projektes, der die beteiligten Vulkan-Töchter mangels Erfahrung nicht gewachsen war. Geradezu kopflos habe sich der Vulkan-Verbund in die große Aufgabe gestürzt: „Ohne klare Leitungskompetenzen“ haben vier Verbundunternehmen das gigantische Schiff gebaut – „eine der wesentlichen Verlustquellen“, schreibt Betteray. Bei der Kalkulation wurde von erforderlichen Fertigungsstunden und einer „Ablauforganisation“ ausgegangen, die „die beteiligten Werften zu keinem Zeitpunkt erreicht“ hätten.

Selbst der Materialeinkauf war offenbar falsch kalkuliert: „Eine der wesentlichen Verlustursachen“. Und dann kamen die Verzögerungen. Seit der Krise im Herbst 1995 mußten die Vulkan-Werften mit einer erheblich geringeren Arbeitsproduktivität kämpfen. „In verständlicher Sorge um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze“ hätten sich die Mitarbeiter „nicht mit letzter Energie auf die Abwicklung dieses Großprojektes konzentrieren“ können. „Nahezu fünf Monate“ Fertigungszeit mußten zum Schluß aufgeholt werden. Mühselig war der Ablieferungstermin noch einmal um einen Monat nach hinten verschoben worden. Ein Wunder, daß alles dennoch zum neuen Termin am 13. Juli geklappt hat – aber der Preis war hoch: Teilweise mußten Doppel-Nachtschichten gefahren werden. Hätten die Verbund-Firmen in den letzten Monaten Tariflöhne zahlen müssen, dann wäre das Defizit noch erheblich größer geworden als die 160 Millionen, die letztlich getragen werden müssen, so van Betteray.

Dabei ging der Seebeck-Vorstand „bis zum Vergleichsantrag“ davon aus, daß die Verluste von der Schiffbau-Holding übernommen würden. Wie das der Konzern verkraften sollte nach den Schiffbau-Verlusten aus den vergangenen Jahren, darüber hatte sich bei Seebeck offenbar niemand Gedanken gemacht – wieso auch: Der Verlust-Ausgleich war in den früheren Jahren immer problemlos geflossen. Vorwurf Nummer drei: Als der Vulkan-Verbund in den Strudel des drohenden Konkurses geriet, tat der Schichau-Seebeck-Vorstand nichts, die Werft zu retten. Vollkommen verständnislos notiert van Betteray, daß vom Sommer 1995, als die Werft-Chefs sich über die Krise ihrer Unternehmen aus der Zeitung informieren konnten, bis zur Einsetzung des Vergleichsverwalters acht Monate lang „wertvollste Zeit ungenutzt verstrichen ist“, ohne daß die Schichau-Führungsetage sich Gedanken über eine „konzernunabhängige Überlebensstrategie“ gemacht hätte. „Dabei darf nicht verkannt werden, daß die SSW in der Vergangenheit maßgeblich durch den Konzern gestützt wurde“, erklärt van Betteray höflich, aber knallhart das Phänomen. Auf deutsch: Die Chefetage der Schichau-Werft hatte sich so an den Zufluß von Subventionen gewöhnt, daß sie in der Krise unternehmerisch versagte.

Van Betterays Urteil über die Ursachen der Vulkan-Pleite bezieht das Costa-Geschäft mit ein: „Festhalten läßt sich also, daß im wesentlichen unternehmensinterne und konzerninterne Ursachen zur Insolvenz geführt haben.“ K.W.

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