Coronaregeln für Risikogebiete in Deutschland: Kritik am „Flickenteppich“

Wer aus Corona-Risikogebieten wie Berlin nach Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz reist, muss in Quarantäne. Viele Politiker:innen halten das für eine schlechte Idee.

Ein Mund-Nasen-Schutz wird vom Wind über den Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor in Berlin geweht.

Nicht mehr willkommen? Wer aus Berlin kommt, muss in einigen Bundesländern strenge Regeln beachten Foto: dpa

BERLIN/DÜSSELDORF dpa | Mit Unverständnis und Kritik haben Politiker:innen verschiedener Parteien auf die in manchen Bundesländern eingeführten Quarantänevorschriften für Reisende aus Corona-Risikogebieten in Deutschland reagiert. „Reisebeschränkungen im Inland sind das falsche Signal und nicht hilfreich“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dem Spiegel (Dienstag). Politiker von CDU und SPD monierten, das Nebeneinander verschiedener Vorschriften schaffe einen verwirrenden Flickenteppich.

Vor allem die Coronasituation in Berlin wird von den Bundesländern unterschiedlich bewertet. Aufgrund steigender Zahlen in mehreren Bezirken der Hauptstadt werden diese zum Teil als Risikogebiet eingestuft. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben deshalb Einreisebeschränkungen mit Quarantäneregeln und Pflichttests festgelegt. Andere Bundesländer folgen einer davon abweichenden Systematik.

Hintergrund sind die weiter steigende Coronazahlen: Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut, Deutschland habe erneut die Schwelle von 2.600 Neuinfizierten an einem Tag überschritten. 12 Menschen starben im gleichen Zeitraum an der vom Coronavirus verursachten Krankheit Covid-19.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) forderte mehr Klarheit und Transparenz bei den Regeln für Menschen aus innerdeutschen Risikogebieten. „Für Reisen innerhalb Deutschlands brauchen wir eine bundesweit einheitliche Regelung, auf die sich alle Bundesländer einigen“, sagte er dem Spiegel. „Ein Rückfall in Kleinstaaterei sorgt nur für Verunsicherung und gefährdet die Akzeptanz der Coronaregeln.“

„Über das Ziel hinausgeschossen“

Thüringens Innenminister Georg Maier sagte dem Nachrichtenmagazin: „Es ist mir schleierhaft, wie diese Regelung umgesetzt werden soll. Sollen wir jetzt stichprobenartig zwischen den Bundesländern kontrollieren?“ Mit Blick auf das Vorpreschen der Landesregierungen in Kiel und Mainz ergänzte er. „Da ist man über das Ziel hinausgeschossen, das wird nicht funktionieren.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) weist aktuell die Städte Hamm und Remscheid in Nordrhein-Westfalen sowie den Landkreis Vechta in Niedersachsen als Risikogebiete aus. Zudem gelten auch die Berliner Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg auf der Liste des RKI als Risikogebiete.

In Schleswig-Holstein gelten derzeit die Städte Hamm und Remscheid sowie die vier Berliner Bezirke als Risikogebiet, nicht aber der Landkreis Vechta. Für Urlauber aus diesen Gebieten hat das zur Folge, dass sie sich in Schleswig-Holstein sofort 14 Tage in Quarantäne begeben oder zwei negative Coronatests vorweisen müssen. Einer der beiden Tests darf frühestens fünf Tage nach der Einreise gemacht werden. Rheinland-Pfalz hat eine ähnliche Regelung am Montag verabschiedet und folgt bei der Einstufung der Risikogebiete vollständig der RKI-Bewertung.

Mecklenburg-Vorpommern hingegen weist zwar Hamm, Remscheid und Vechta, nicht aber die vier Hauptstadtbezirke als Risikogebiet aus, weil Berlin – wie auch von Brandenburg – bei der Risikobewertung als Ganzes betrachtet wird. Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und das Saarland richten sich bei der Ausweisung von inländischen Risikogebieten nach dem RKI. In diesen Bundesländern wird jedoch derzeit keine Quarantäne für Reisende aus inländischen Risikogebieten angeordnet. Es gelten aber Übernachtungsverbote für Hotel- und Pensionsgäste.

Herbstferien lieber zu Hause verbringen

Auch ihn NRW muss nicht in Quarantäne, wer aus einem innerdeutschen Risikogebiet kommt. „Städte oder Kreise innerhalb Deutschlands, die hohe Inzidenzen aufweisen, werden als „besonders betroffene Gebiete“ kategorisiert. Diese Kategorisierung bedeutet primär keine Einschränkungen für Reisende aus oder in diese Städte/Regionen“, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums der Rheinischen Post (Dienstag) und der Deutschen Presse-Agentur.

Auch Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann versicherte, dass in ihrem Land derzeit nicht an ein Übernachtungsverbot für Menschen aus innerdeutschen Risikogebieten gedacht werde. Solche Regelungen seien auch „praktisch nicht umsetz- oder gar kontrollierbar“, sagte die SPD-Politikerin der Neuen Osnabrücker Zeitung. Reimann riet dazu, in den Herbstferien lieber nicht zu verreisen und die freie Zeit möglichst zu Hause zu verbringen.

In Berlin beginnen am kommenden Wochenende die zweiwöchigen Herbstferien. In Bundesländern wie Bremen und Hessen sind bereits seit Montag Ferien. Neben Berlin steuert vor allem Frankfurt am Main bei der Zahl der Corona-Infektionen auf die nächste Warnstufe zu.

Als Grundlage für die Einstufung als Risikogebiet dient die Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Dieser Wert darf nicht höher als 50 sein.

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