Coronakrise mit Geisterspiel: Der Fußball als Drachentöter

Trotz Corona sollte die Fußball-Bundesliga bald wieder den Betrieb aufnehmen. Geisterspiele können ein Signal der Normalisierung senden.

Patrick Herrmann, ein Spieler von Borussia Mönchengladbach, schießt eine Ecke. Das Stadion ist leer.

Geisterspiele sind nicht gruselig Foto: Fabian Strauch/dpa

Not macht erfinderisch. Während in der Fußball-Bundesliga vor gut einem Monat das letzte Spiel stattfand, geht man im US-Sport wohl neue Wege. Die Major League Baseball will ihre Saison durchbringen, gegen alle Widerstände – und seien sie mit den Corona-Viren auch noch so tückisch. Um der Pandemie ein Schnippchen zu schlagen, haben sie einen ausgeklügelten Plan ausgeheckt. Sie wollen alle 30 Mannschaften in und um Houston einquartieren.

In der texanischen Stadt gibt es viele Ballparks, also Spielfelder für das Schlag- und Laufspiel, das zu den uramerikanischen Errungenschaften gehört. Seit 1903 wird die World Series regelmäßig ausgespielt, und es waren nicht Weltkriege oder Terroranschläge, die die Liga ins Schleudern brachten, sondern 1904 eine Laune der New York Giants, die das Finale gegen die Boston Americans nicht ausspielen wollten und 90 Jahre später ein Spielerstreik, der ein vorzeitiges Saisonende nötig machte. Baseball wird immer gespielt, komme, was wolle, das ist die Maxime der Männer mit den Schirmmützen.

„Heilungsprozess“ anstoßen

Wird der Plan der MLB in die Tat umgesetzt, würde die Saison nur viereinhalb Monate dauern. 2.430 Spiele in kurzer Zeit würden Houston zu der Hochburg des Baseball machen. Gespielt würde natürlich ohne Publikum, regelmäßig zweimal am Tag. Spieler und Coaches nähmen auf leeren Tribünen Platz. Die US-Gesundheitsbehörde soll dem Plan schon zugestimmt haben. Mike Matheney, Manager der Kansas City Royals, sagt, er fände es gut, ein bisschen Normalität zurückbringen: „Wir sollten etwas tun, was dem Heilungsprozess hilft.“

Das klingt pathetisch, trifft aber den Kern. Sportfans weltweit sehnen sich nach dem Sport, wie er einmal war, vor der Masseninfektion mit dem Virus. Der geregelte Sportbetrieb scheint schon so langsam in der Erinnerung zu verblassen. Klassiker aus der Konserve helfen zwar ein wenig, über den Ausfall hinwegzutrösten, aber sie sind nur ein Surrogat. Hieß es anfangs noch, Geisterspiele seien furchtbar und unzumutbar, so ist man nach über vier Wochen der Abstinenz bereit, Kompromisse zu machen und starre Haltungen aufzugeben. Selbst die Orthodoxen denken über rollende Bälle in leeren Stadien nach. Mit Geisterspielen als Notlösung.

Symbolischer Akt

Dagegen ist nichts zu sagen. Es müsste logischerweise nur sichergestellt werden, dass sich die Spieler nicht gegenseitig anstecken, weswegen häufige Tests nötig wären. Kritiker wenden nun ein, das privilegiere wieder einmal eine Elite von Unterhaltungskünstlern und sei das falsche Zeichen in Zeiten von Corona.

Das Gegenteil ist richtig, vorausgesetzt, es wären tatsächlich genügend Tests vorhanden und sie fehlten nicht in den Epizentren der Krise. Eine Bevorzugung von Fußballern, die ja nicht um ihr Leben, sondern nur um den Ball kämpfen, wäre zynisch und unverantwortlich, aber gehen wir einmal davon aus, die Kapazitäten reichten aus, dann sollte die Deutsche Fußball-Liga alles daran setzen, den Spielbetrieb alsbald mit Geisterspielen fortzusetzen.

Dabei geht es nicht so sehr um eine Beendigung der Meisterschaft, sondern um einen symbolischen Akt: Es geht langsam wieder aufwärts, eine Gesellschaft muss nicht ewig in katatonische Starre verfallen, es gibt Hoffnung auf ein Stück Normalität, Corona ist ein mächtiger, aber kein übermächtiger Gegner. Dem Fußball fiele, pathetisch gesagt, die Rolle des Drachentöters zu. Dem Unwesen wachsen unzählige neue Köpfe nach, aber der Held schlägt sie mit seinem Schwert alle ab.

Der Ball sollte wieder rollen. Es wäre, so komisch das klingt, ein Dienst an der Gesellschaft. Und die Klubs könnten nach Erhalt ihrer TV-Gelder den Corona-Solidarfonds noch ein bisschen aufstocken.

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