Corona & die Wohnraumfrage: Keine Profite mit der Miete!

Die Corona-Krise macht noch deutlicher, dass es einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik braucht.

Wohnhäuser in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes Bild: dpa

Ein Gastbeitrag des Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn

Das Gebot sozialer Distanz und die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stellen auch die Mieter*innenbewegung vor neue Herausforderungen: Wie protestieren, wenn wir nicht gemeinsam auf die Straße gehen können?

Für den 28. März 2020 riefen Initiativen aus bislang etwa 54 Städten europaweit zum einem „Housing Action Day“ mit Großdemonstrationen und vielfältigen Aktionen auf. Das bundesweite Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn hat die geplanten Demonstrationen wegen der COVID-19-Pandemie verschoben. Gleichzeitig tritt soziale Ungleichheit in dieser Situation besonders zutage, denn die Folgen der langanhaltenden Wohnungskrise verschärfen sich für viele.

Unsere Nachbar*innen, die selbstständig und prekär arbeiten, erleben den plötzlichen Wegfall ihrer ökonomischen Grundlage und können ihre Miete nicht mehr zahlen. Wohnungslosigkeit wird zum besonderen Infektionsrisiko. Deshalb halten wir am 28. März fest und rufen stattdessen zu Online- und Fensterdemonstrationen sowie kreativen und sicheren Kleinst-Aktionen auf.

Gerade jetzt können wir die Erfahrung nachbarschaftlicher und grenzübergreifender Solidarität nutzen. Weltweit fordern Initiativen jetzt etwa einen Mietenstopp und ein Ende von Zwangsräumungen, so auch die European Housing Action Coalition, deren Teil wir sind. Entgegen der neuen Abschottung innerhalb Europas eröffnen sich also auch Möglichkeiten neuer solidarischer Bezugnahme aufeinander.

Corona und die Wohnungsfrage zusammendenken

Aufgrund der COVID-19 Pandemie droht das Gesundheitssystem auch in Deutschland zu kollabieren. Wo seit Jahren rationalisiert, privatisiert und eingespart wird, da geraten Einrichtungen öffentlicher Fürsorge schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Folgen dieser neoliberalen Politik kritisiert die Mieter*innenbewegung – in Bezug auf die Wohnungsversorgung – seit Langem.

Unter dem Motto „Wohnen für Menschen statt für Profite“ fordert das Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn deshalb einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik. Nur, wenn Wohnraum keine Ware mehr ist, kann es menschenwürdiges Wohnen für alle geben.

Da die Losung der Stunde „Bleiben Sie Zuhause“ lautet, wird greifbar, was es bedeutet, wenn dieser Schutzraum fehlt. Wer in diesen Tagen wohnungslos ist und/oder in Sammelunterkünften und Lagern unterkommen muss, die*den trifft die Pandemie besonders. Dass Leerstand weiterhin geduldet und Besetzungen kriminalisiert werden, ist unter diesen Bedingungen schlicht absurd.

Wohnungsloseninitiativen fordern deshalb etwa eine Beschlagnahmung von Hotels und Ferienwohnungen. Zwangsräumungen sowie Strom- und Gassperrungen müssen ausgesetzt werden, weil sie zu jeder Zeit eine Gefahr für die körperliche und psychische Gesundheit bedeuten. Unter der Krise leiden auch die Infrastrukturen unserer Städte, die wir brauchen werden, um die Folgen der sozialen Isolation abzufedern: Sozial- und Kultureinrichtungen wie Kindertagesstätten, (selbstverwaltete) Jugendzentren, Kneipen und Clubs kämpfen sowieso schon mit Mietsteigerungen und Kündigungen. Es ist umso wichtiger, dass kein weiterer Ort der Begegnung mehr verloren geht. Ähnliches gilt für viele Kleingewerbetreibende, die oft zu wenig Rücklagen haben, um bei einer Schließung die Mietforderungen der Immobilienbesitzer*innen weiter zu erfüllen.

Wer zahlt für die Coronakrise?

Die Politik hat erkannt, dass die Situation der Mieter*innen in der COVID-19 Pandemie Sofortmaßnahmen erfordert. Was allerdings bisher bundesweit veranlasst wurde – die temporäre Aussetzung von Kündigungen – geht nicht weit genug. Mietschulden verfallen nicht, sondern müssen innerhalb von zwei Jahren nachgezahlt werden. Dabei können viele Mieter*innen bereits heute ihre Miete kaum noch bezahlen. Sämtliche Mietschulden zu begleichen dürfte bei drohenden Einkommensverlusten nahezu unmöglich sein.

Der Vorschlag eines „Sicher-Wohnen-Fonds“ vonseiten des Deutsche Mieterbund (DMB) und des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) greift ebenfalls zu kurz. Der Staat finanziert auf diese Weise die Immobilienkonzerne, die von der letzten Krise und dem Boom des Wohnungsmarktes jahrelang profitierten.

Stattdessen muss die Immobilienwirtschaft in die Verantwortung genommen werden. Für die Kosten der ökonomischen Krise, die gerade erst beginnt, dürfen nicht wieder die Mieter*innen bezahlen.

Nachbarschaftliche Solidarität muss politisch werden

Gerade in der Coronakrise wird deutlich: Es braucht eine Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne und die demokratische Selbstverwaltung unseres Wohnraums. Nur die Schaffung eines nicht-profitorientierten, demokratisierten Wohnungssektors ist ein Schritt zur Lösung der anhaltenden und sich verschärfenden Wohnungskrise.

Jetzt und in Zukunft müssen Kleingewerbetreibende, Kultur- und soziale Einrichtungen besser vor Mieterhöhungen, Kündigungen und Verdrängung geschützt werden. Ein Ende von Verdrängung durch Zwangsräumungen, Eigenbedarfsklagen und Modernisierungsumlagen ist notwendig.

Am 28. März rufen wir deshalb zu einer Fenster- und Onlinedemo auf: Wir hängen Transparente und Plakate auf. Um 18 Uhr gehen wir auf den Balkon oder ans Fenster und machen Lärm. Fotos und Videos von diesen Aktionen sowie zur Frage, warum man auf die Straße gegangen wäre, sollen in den sozialen Medien geteilt werden. Unter den Hashtags #HousingActionDay2020 #Mietenwahnsinn #TogetherAgainstCorona und #CoronaVirusDE wollen wir unseren Forderungen und unserem Protest weiterhin ein Gesicht und eine Stimme geben.

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