Corona und Prostitution: Große Sorgen in der Sexarbeit

Städte und Bundesländer schließen Bordelle und verbieten vorerst Prostitution. Vielen Sexarbeitenden droht nun Obdachlosigkeit.

Eine Frau sitzt in einem Bordell in Hamburg auf einem Bett

Sexarbeiter:innen könnten jetzt von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt werden Foto: Daniel Reinhardt/dpa

BERLIN taz | „Das ist das ganz große Drama“, sagt Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD), in dem sich unter anderem Betreiber:innen von Bordellen organisiert haben: Mehrere Städte und Bundesländer haben wegen des Corona-Virus angeordnet, Prostitutionsstätten vorerst zu schließen. Dazu gehören Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und das Saarland. Mit weiteren Verboten wird gerechnet. Die Polizei kontrollierte vielerorts bereits am Wochenende, ob die Verbote umgesetzt werden.

Natürlich habe sie volles Verständnis, dass Gesundheit vorgehe, sagt Klee. „Aber viele wissen nicht, wie sie die nächste Zeit überstehen sollen.“

Auch Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD), der für Sexarbeiter:innen spricht, sagt: Vor allem unter denjenigen, die ohnehin schon marginalisiert arbeiten, die weder Krankenversicherung noch festen Wohnsitz haben, „herrsche richtig Panik.“ Ohnehin hätten sehr viele Sexarbeitende nahezu keine Rücklagen.

Auf die Straße gesetzt

Oft wohnen Sexarbeiter:innen vorübergehend in den Bordellen, in denen sie arbeiten. „Die wurden jetzt von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt“, sagt Weber. Viele, die nicht in Deutschland leben, könnten wahrscheinlich nicht mehr nach Hause reisen oder müssten in Quarantäne. Die Grenzen etwa nach Polen oder Bulgarien sind dicht.

Das Medienportal 7 aktuell veröffentlichte auf Youtube ein Interview mit dem Stuttgarter Bordellbetreiber John Heer. Wenn die Frauen aus den Häusern rausmüssten, sagt Heer, heiße das, „man soll sie auf die Straße schmeißen.“ Heer kündigte an, das nicht zu tun – zumindest, bis die Frauen ein Ticket nach Hause oder eine vorübergehende Unterkunft hätten. Klee sagt, sie hoffe, dass einige bei Freund:innen oder Verwandten unterkommen könnten, um die härteste Zeit zu überbrücken.

Die überwiegende Mehrheit der Betreiber:innen und Sexarbeitenden werde sich an die Verbote halten, vermutete Weber. Doch gerade marginalisierte Prostiutierte würden wohl versuchen, auf der Straße oder im Netz weiter zu arbeiten – wenn sie noch Kunden finden würden. „Was sollen sie auch machen, wenn sie nichts zu essen haben“, sagt Weber. Um die müsse man sich nun kümmern.

Ihr Verband suche bereits nach Lösungen: sowohl, um die drohende Obdachlosigkeit vieler Kolleg:innen aufzufangen, als auch, um zu klären, wie es mit staatlichen Ausfallzahlungen aussieht. Bisher gebe es von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums nur Pläne für Selbständige, die in Quarantäne sind. „Aber das funktioniert nicht, wenn wir grundsätzlich am Arbeiten gehindert sind“, sagt Weber. Da müssten weitreichendere Lösungen her. Vor ähnlichen Problemen stehen derzeit auch Solo-Selbstständige in vielen anderen Branchen.

Forderung nach unbürokratischer Hilfe

Auch der Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten, Dona Carmen, forderte per Pressemitteilung unbürokratische Hilfe für Sexarbeitende von den Kommunen und Ländern. Zwar hätten auch selbständig in der Prostitution tätige Personen bei Verdienstausfall Entschädigungsansprüche. „In der Praxis werden die meisten Sexarbeiter/innen davon aber wohl kaum profitieren, weil dazu eine Bescheinigung des Finanzamts erforderlich ist“, befürchtet der Verein. Vielen Sexarbeitenden bliebe deshalb nur die Beantragung von Arbeitslosengeld II.

Bordellbetreiber Heer kritisierte zudem die mangelnde Hilfsbereitschaft der Prostitutionsgegner:innen. „Die ganzen Hilfsorganisationen, die sonst immer schreien ‚Zwangsprosutitution‘ – die sind hier alle nicht zugegen“, sagt er. „Es ist niemand da, der hilft.“

Die erklärte Prostitutionsgegnerin und SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier schrieb auf Twitter: „Stuttgart verbietet Prostitution wegen Corona. Geht doch. Man(n) kann ja schon mal üben“. „Unverantwortlich“, nennen viele diese Aussage in den sozialen Medien, „respektlos, widerlich.“ Die Berliner SPD-Staatssekretärin für Gesundheit und Gleichstellung, Barbara König, antwortete: „Das ist unter Deinem Niveau, liebe Leni. Bitte unterlasse diese vollkommen unangemessene Instrumentalisierung einer sehr ernsten Lage für deine persönliche Position. Danke.“

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