Corona im Gazastreifen: Das Virus bricht die Blockade
In Gaza sind die ersten an Covid-19 erkrankt. Die hohe Bevölkerungsdichte und ein marodes Gesundheitssystem lassen nichts Gutes erahnen.
Denn kaum ein Gebiet ist so isoliert wie der von der Hamas regierte Gazastreifen, der sich seit 2007 unter israelischer Blockade befindet. Nur zwei Grenzübergänge in Gaza sind für den Personenverkehr vorgesehen: der Eres-Übergang nach Israel, den nur wenige Palästinenser*innen mit einer Ausnahmegenehmigung passieren können, und der Rafah-Übergang nach Ägypten.
Doch mittlerweile sind die ersten zwei Coronafälle in Gaza bekannt geworden: Pakistan-Rückkehrer, die über den Rafah-Grenzübergang von Ägypten in den Gazastreifen einreisten, sind positiv getestet worden. Seitdem ist die Angst groß.
Zaanouns Fotos zeugen von der Veränderung, die mit Bekanntwerden der zwei Coronainfizierten am Sonntag auf den Straßen stattgefunden hat. Zwar hatte die Hamas-Regierung bereits vor zwei Wochen Ausgangsbeschränkungen erlassen. Märkte, Restaurants, Cafés und Moscheen sind geschlossen; auch die Freitagsgebete sind abgesagt. Doch seit Sonntag sind auch die Straßen wie leergefegt, wie Zaanouns Fotos zeigen. Und selbst Packeseln werden Mundschutzmasken aufgesetzt.
Quarantäne in Schulen und Hotels
„Glücklicherweise waren die beiden Infizierten seit ihrer Einreise in Quarantäne“, sagt Gerald Rockenschaub, Leiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die palästinensischen Gebiete. Er unterstützt derzeit das Hamas-Gesundheitsministerium in der Coronakrise mit medizinischem Rat. „Das Risiko, dass sich das Virus von ihnen weiter ausbreitet, ist minimal.“ Die beiden Infizierten befinden sich derzeit in einer Quarantänestation am Grenzübergang Rafah.
Seit dem 15. März müssen sich Personen, die einen der beiden Grenzübergänge passieren, in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Insgesamt befinden sich rund 1.300 Menschen in Quarantäneunterkünften, einige von ihnen in Rafah, andere in zu Quarantänestationen umfunktionierten Schulen oder Hotels, die über den Gazastreifen verteilt sind. Weitere rund 2.100 Personen in dem Gebiet sind in häuslicher Quarantäne.
„Die Hamas-Regierung kommt aufgrund der Blockade kaum hinterher, die Menschen in den Quarantäneunterkünften mit Nahrung zu versorgen“, sagt Mariam Puvogel, Büroleiterin der Hilfsorganisation Medico International in Israel und Palästina, gegenüber der taz. „Mitunter kommen Familienmitglieder, um Lebensmittel vorbeizubringen. Das stellt natürlich ein Infektionsrisiko dar.“
Mohammed Zaanoun, Fotograf aus Gaza-Stadt
Sollte es in dem eng besiedelten Gazastreifen zu einer Verbreitung des Coronavirus wie in Italien oder Spanien kommen, wären die Auswirkungen fatal. „Die Lebensbedingungen sind ohnehin schon hart“, schreibt Zaanoun, „es fehlt an den einfachsten Dingen.“ Im Durchschnitt hat ein Haushalt im Gazastreifen nur sechs bis acht Stunden Strom am Tag. Hinzu kommt die hohe Bevölkerungsdichte: Gaza-Stadt ist dreimal so dicht bevölkert wie Berlin. Zaanoun lebt mit seiner zwanzigköpfigen Familie in Gaza-Stadt, in einer Wohnung von 150 Quadratmetern.
50 bis 60 Beatmungsgeräte in Gaza
Die Menschen im Gazastreifen wissen, wie schlecht das Land medizinisch versorgt ist. Seit Jahren warnen Hilfsorganisationen, dass das Gesundheitssystem des Gazastreifens am Rande des Zusammenbruchs steht. Es fehlt an medizinischem Personal und Ausrüstung.
Nach Angaben des WHO-Direktors im Gazastreifen, Abdelnaser Soboh, verfügt das Gebiet mit seinen knapp 2 Millionen Einwohner*innen nur über 50 bis 60 Beatmungsgeräte und rund 2.500 Krankenhausbetten insgesamt. Zum Vergleich: Hamburg hat bei einer ähnlichen Einwohnerzahl rund 12.000 Krankenhausbetten.
In Rafah wurde vergangene Woche ein Feldkrankenhaus aus Zelten und Containern aufgebaut, mit weiteren Betten für die Intensivversorgung. Doch sollte es tatsächlich zu einem Ausbruch kommen, wäre das kaum ausreichend. Benötigt würde dann weitere Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft, sagt Gerald Rockenschaub von der WHO: „Es braucht Testkits, medizinische Ausrüstung und Schutzausrüstung für das Gesundheitspersonal.“
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