Corona-Krise verbessert Klimabilanz: Die 40-Prozent-Hürde ist machbar

Bisher war klar: Deutschland verpasst sein Klimaziel 2020. Aber ein Rekordjahr 2019 und die Corona-Krise sorgen nun für überraschend gute Zahlen.

Svenja Schulze

Svenja Schulze verkündet die vorläufigen amtlichen Daten zum Treibhausgas-Ausstoß Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Vor zwei Jahren musste SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze als eine ihrer ersten Amtshandlungen eingestehen: Deutschland werde wohl sein Klimaziel für 2020, minus 40 Prozent Treibhausgase gegenüber 1990, nicht erreichen.

Jetzt sieht das alles rosiger aus: Das Land hat 2019 „nur“ 805 Millionen Tonnen CO2 emittiert, 35,7 Prozent weniger als 1990, erklärte Schulze am Montag. Und aus dem Umweltbundesamt (UBA) heißt es jetzt: „Die 40 Prozent sind bis Ende 2020 erreichbar.“

Grund für diese unerwartete Chance ist eine Mischung aus Politik, Marktwirtschaft und Coronakrise. Die deutschen Treibhausgas-Emissionen sind 2019 um 54 Millionen Tonnen CO2, also 6,3 Prozent, gesunken.

Nie gesehener CO2-Rückgang

„Nie zuvor hat es in normalen wirtschaftlichen Zeiten einen solchen Rückgang gegeben“, sagte Schulze. Der Grund: Im EU-Emissionshandel haben sich die CO2-Preise fast verdoppelt, Gas war so billig wie lange nicht mehr und verdrängte so die Kohlekraft aus dem Strommix. Dazu kam: Erneuerbare lieferten 42 Prozent des Stroms, weil ordentlich Wind wehte und die Sonne schien.

Den größten Beitrag zur Einsparung erbrachte wie üblich die Energiewirtschaft: fast 17 Prozent weniger Emissionen stehen hier zu Buche. Auch Landwirtschaft (gut 2 Prozent) und Industrie (knapp 4 Prozent) sparten CO2.

Wenig passiert ist dagegen bei den üblichen „Sorgenkindern“ des Klimaschutzes: Der Sektor Gebäude legte mehr als 4 Prozent an Emissionen zu, weil der Winter zwar relativ warm, aber im Vergleich zum Vorjahr etwas kühler war. Und im Verkehr fraßen dickere Autos und mehr Fahrleistung wieder einmal alle Effizienzgewinne, die Emissionen sind so hoch wie 1990. „Wo die Politik gehandelt hat, sind wir auf Kurs“, sagte Schulze. Und meinte: Wo nicht gehandelt wurde, wie im Verkehr, da eben nicht.

„Deutschland bewegt sich in die richtige Richtung“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner, aber vor allem beim Ausbau von Wind- und Sonnenstrom „ruhen wir uns auf den Lorbeeren der letzten zwanzig Jahre aus“. Um die Klimaziele der Koalition zu erreichen, müsse die Windkraft fünfmal so stark ausgebaut werden wie es gerade geschieht.

Es braucht mehr als eine Corona-Rezession

Die Sanierungsrate von Gebäuden müsse sich außerdem verdoppeln. Und beim Verkehr brauche es bis 2025 30 Prozent der Neuwagen als E-Mobile, mehr Busse und Bahnen und ein Tempolimit von 120 auf der Autobahn: „Grundsätzlich kann Deutschland seine Klimaziele schaffen“, zeigte sich Messner optimistisch. Für die noch fehlenden 4,3 Prozentpunkte bis Jahresende bräuchte es aber wohl eine Corona-Rezession: Weniger Autoverkehr und Flüge, geringerer Stromverbrauch durch weniger Produktion, das würde insgesamt die Emissionen drücken, sind sich Fachleute einig.

„Die positiven Trends aus 2019 für weniger Emissionen lassen sich für 2020 aber nicht einfach fortschreiben“, warnt Felix Matthes, Energieexperte vom Öko-Institut. Es zeichneten sich für 2020 weder Preissprünge im Emissionshandel ab noch weiter sinkende Gaspreise, allenfalls könnte etwas mehr Ökostrom erwartet werden. Und CO2-Einsparungen durch eine Krise „kann man nicht vorhersagen, das ist reine Spekulation“.

Auch Umweltministerium und UBA warnten davor, eine Krise als Klimaschutz zu werten. Wegen einer Corona-Rezession der Gesamtwirtschaft die 40 Prozent für 2020 zu erreichen sei „nicht nachhaltig“. „Es hilft nicht, wenn jetzt die Emissionen sinken und dann wieder hochgehen“, meinte Messner. Entscheidend sei, dass Konjunkturpakete „grün“ aufgelegt würden: Investitionen sollten in die Sanierung von Gebäuden, den Aufbau von elektrischer Mobilität und in effizientere Industrieanlagen fließen.

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