: Coop - Pause für ein Mammut
■ Das größte bundesdeutsche Wirtschaftsverfahren wird bis zum Sommer ausgesetzt
Coop — Pause für ein Mammut Das größte bundesdeutsche Wirtschaftsverfahren wird bis zum Sommer ausgesetzt
Der coop-Prozeß, das Mammutverfahren bundesdeutscher Wirtschaftskriminalität, erlebte gestern sein vorläufiges Ende. Die 16 Verteidiger der sieben angeklagten Wirtschaftsmanager brachten die Frankfurter Staatsanwaltschaft mit leichter Hand und scharfer Zunge ins Hintertreffen. Schon vorher hatte sich der Gerichtssaal in eine Rennstrecke für Hase und Igel verwandelt.
Die Realität allerdings ist komplizierter als das Märchen. Staatsanwalt Klune war gezwungen, eine Anklage vorzutragen und zu vertreten, die sich wegen der nicht abgeschlossenen weiteren vierzig bis sechzig Ermittlungsverfahren schon bei Prozeßbeginn zur endlosen Geschichte verlängerte.
Das Bundeskriminalamt legte kurzfristig immer wieder neue Erkenntnisse vor, der Staatsanwalt besserte die Anklage nach. Doch die Verteidigung akzeptierte die ihr damit zugewiesene Rolle nicht. Sie war nicht bereit, dem sich permanent verändernden Stand der Anklage wie ein Hase hinterherzuhecheln. Die zahlreichen formalen Anträge verschafften strapaziöse Besinnungspausen für diese Einsicht bei allen Verfahrensbeteiligten. Durch den, von ihr in dieser Form ungewollten, Informationsvorsprung geriet die Staatsanwaltschaft unversehens ebenfalls in die Hasenrolle. Sie hockte verschreckt auf der Anklägerbank und mußte sich— fast unwidersprochen — die Frage gefallen lassen, ob Herr dieses Verfahrens das Bundeskriminalamt sei. Darauf wußte sie keine überzeugend verneinende Antwort.
Vorsitzender Richter Gernot Bokelmann bereitete dem unwürdigen Rennen vorerst ein Ende. Er gewährte durch die Aussetzung eine Lesepause bis zum Sommer. Er wird damit allerdings der grundsätzlichen Problematik der Unhandhabbarkeit dieses Prozesses nicht abhelfen können. Denn eigentlich müßten neben den jetzt Angeklagten auch die sitzen, die zur Rettung ihres maroden Konzerns illegale Praktiken geradezu förderten. Gründungen immer neuer Konzerne und Unternehmen zur Verschleierung der wahren wirtschaftlichen Situation bis zur Unüberschaubarkeit für alle Beteiligten verführen geradezu zur schnellen persönlichen Bereicherung einzelner.
Eine Atmosphäre des fehlenden Unrechtsbewußtseins in Chefetagen, in denen vielleicht keiner alles, aber viele das meiste gewußt haben, läßt die Frage nach Schuld und Unschuld im schillernden Sumpf des nicht mehr Justitiablen versinken. Vielleicht erklärt das auch die verbale Rotzigkeit, mit der sich einige der Angeklagten im Gerichtssaal als verfolgte Unschuld und Opfer dunkler Machenschaften präsentierten. Heide Platen
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