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Contras, Drogen und ein Anschlag

■ Ein Prozeß gegen zahlreiche am Irangate–Skandal Beteiligte soll den Mordversuch an Eden Pastora, der 1984 in Costa Rica verübt wurde, aufklären US–Bürger John Hull, Gastgeber für internationale Contras und Drogenhändler in Costa Rica / Der Zeuge David ist verschwunden

Aus Washington Stefan Schaaf

William Casey, der im Mai verstorbene CIA–Direktor, hat gegenüber Oliver North die Idee geäußert, einen „Geheimdienst außerhalb des Geheimdienstes“ einzurichten, der jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen sei. Was für den „Irangate“–Untersuchungsausschuß ein Schock war, dürfte die Juristen des „Christic Institute“, einer von der Kirche unterstützten Anwaltskanzlei in Washington, keine Überraschung sein. Sie bereiten für das nächste Frühjahr einen Prozeß gegen Reagans „Secret Team“ vor, eine Gruppe von 29 Beschuldigten, denen sie illegalen Waffenhandel, Drogenschmuggel, Mord und or ganisiertes Verbrechen vorwerfen. Mehrere der Beschuldigten - Richard Secord, Albert Hakim, Robert Owen und Adolfo Calero etwa - sind als Zeugen vor dem Irangate–Komitee aufgetreten. Die Nachforschungen des „Christic Institute“ nahmen 1984 ihren Anfang. Eden Pastora, der legendäre „Comandante Cero“ aus der Gründerzeit der Sandinisten, der sich später auf die Seite der Contra geschlagen hatte, stand im April jenes Jahres vor einer schwierigen Entscheidung. Er sollte seine Truppen der ARDE, die Nicaragua von der costaricanischen Grenze aus angriffen, mit denen der FDN, einer weiteren antisandinistischen Organisation in Honduras, vereinigen oder die CIA würde ihm die Gelder sperren. Pastora zögerte, dieser Aufforderung Folge zu leisten, denn in seinen Augen war die FDN zu sehr von Anhängern des gestürzten Diktators Somoza dominiert. Pastoras engster Verbündeter Alfonso Robelo sowie Adolfo Caleros FDN unterstützten jedoch das Verlangen der CIA nach Vereinigung aller antisandinistischen Organisationen, so daß Pastora als der einzige Spielverderber dastand. Mehrere geheime ARDE– Treffen in San Jose, der Hauptstadt Costa Ricas, endeten im Mai 1984 in hitzigen Diskussionen und schließlich mit dem Auszug Pastoras und seiner verbliebenen Gefolgsleute. Pastora kündigte eine Pressekonferenz in seinem Haupt quartier an der Grenze zwischen Nicaragua und Costa Rica an. Kaum hatten die eingeladenen Journalisten nach einer anstrengenden zweistündigen Bootsfahrt Pastoras Dschungelcamp „La Penca“ am Rio San Juan erreicht und begonnen, seinen Ausführungen zu lauschen, als ein eingeschmuggelter Sprengsatz explodierte und riesige Löcher in Boden und Decke der Hütte riß. Fünf ARDE–Mitglieder und drei Journalisten starben an ihren Verletzungen, mehr als ein Dutzend Teilnehmer wurden verletzt. Der ABC–News–Kameramann Tony Avirgan, der zwei Monate lang arbeitsunfähig war, begann eine Untersuchung des Anschlags und beauftragte wenig später das „Chri stic Institute“ mit zusätzlichen Ermittlungen. In zwei Jahren akribischer Arbeit wurde vorbereitet, was mittlerweile, so das „Christic Institute“, zur „umfassendsten Untersuchung der in den Irangate– Skandal verwickelten Privatpersonen“ geworden ist. John Hull, einem in Costa Rica lebenden US–Bürger, kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu. Er ist Herr über eine riesige Ranch an der Nordgrenze jenes Landes, von der aus zahlreiche Contra–Operationen ausgingen. Häufig wurden Waffen für die „Südfront“ der Contra auf seiner Ranch angeliefert. Davids Geschichte Es war ein gewaltiger Zufall, der Tony Avirgan und seiner Frau Martha Honey den entscheidenden Hinweis auf die Attentäter von La Penca und John Hulls Rolle bei diesem Anschlag einbrachte. Eine Bekannte Avirgans war von ihrem Nachbarn, einem Zimmermann aus San Jose namens Carlos Rojas, über ein merkwürdiges Gespräch informiert worden. Rojas war in einer Bar von einem jungen Mann angesprochen worden, der erklärte, ein Contra zu sein und um Hilfe in einer verzwickten Situation bat. Er sei in einen geplanten Anschlag auf den US–Botschafter in Costa Rica verwickelt und wolle sich aus der Affaire ziehen. David, so sein Name, war der erste Zeuge, der Avirgan und Honey in zahlreichen Gesprächen über mehrere Wochen darlegte, was auf Hulls Farm tatsächlich vorging. David behauptete, Mitglied einer „internationalen Brigade“ von Contras zu sein, die auf Hulls Ranch stationiert sei und die für den Anschlag von „La Penca“ verantwortlich sei. Ihr aktueller Plan sei, einen Bombenanschlag auf den US–Botschafter in Costa Rica, Lewis Tambs, auszuführen, eine Tat, die aussehen sollte, als ob sie von den Sandinisten verübt worden sei. Die Attentäter hofften, damit die USA zu veranlassen, in Nicaragua einzumarschieren. Außerdem habe ein kolumbianischer Kokainschmuggler - Pablo Escobar, einer der drei Drogenkönige des Landes - ein Kopfgeld in Höhe von einer Million US–Dollar auf Tambs ausgesetzt. Tambs war vor seiner Amtszeit in Costa Rica Botschafter in Kolumbien gewesen und hatte sich dort den Unmut der Kokainmafia zugezogen. David bezeugte obendrein, daß jede Woche Kokain aus Kolumbien auf John Hulls Ranch umgeladen und in die USA weitertransportiert wurde. „Christic Institute“–Anwalt Dan Sheehan hat erfahren, daß pro Woche auf diese Weise eine Tonne Kokain mit einem Straßenverkaufswert von 25 bis 50 Millionen Dollar in die USA gebracht wird und daß Hulls Leute für jede Flugzeugladung zwischen 10.000 und 25.000 Dollar kassieren. Mit diesen Einnahmen werden Contra–Operationen finanziert. David sagte außerdem aus, daß der Mordplan gegen Pastora in den ersten Monaten des Jahres 1984 entwickelt worden sei - und zwar von John Hull und zwei weiteren Mitgliedern der internationalen Contra–Brigade auf dessen Ranch, Rene Corbo und Felipe Vidal. Kurz darauf sei auch Adolfo Calero in das Projekt eingeweiht worden. Vidal und Corbo machten sich auf die Suche nach einem potentiellen Attentäter - einem käuflichen Killer - und stießen nach einigen Umwegen durch die exilkubanische Unterwelt auf Amac Galil, einen ultrakonservativen Söldner libyscher Abstammung. Galil erhielt 50.000 Dollar für die Planung und Ausführung des Mordes, außerdem übergab man ihm auf John Hulls Ranch drei Kilogramm C–4–Sprengstoff. Galil, der sich als dänischer Journalist ausgab, heuerte bei einem schwedischen Kamerateam an und fuhr mit ihnen an den Tatort. Minuten bevor die Bombe explodierte, schlich er sich vom Tatort und entkam. David wird seine Geschichte und alles was er über John Hulls Aktivitäten weiß, in keinem Gerichtssaal wiederholen können; er wurde von John Hulls Leuten auf dessen Ranch entführt und vermutlich ermordet. Doch das „Christic Institute“ hat seine Aussagen inzwischen durch weitere Informanten untermauern können. Das „Secret Team“ Das „Christic Institute“ verfügt über mehrere Zeugen, die belegen können, daß Hull und durch ihn die Contra seit 1979 Waffen und Sprengstoff von einem Ring von ehemaligen CIA–Mitarbeitern bezogen haben, die sich in den siebziger Jahren im Iran kennengelernt und nach dem Amtsantritt von Jimmy Carter den Geheimdienst verlassen hatten, um sich privaten Geschäften zu widmen. Dieser Ring besteht aus Richard Secord und Albert Hakim - Oliver Norths Partner im Iran–Contra–Geschäft - sowie Theodore Shackley, Thomas Clines und Rafael Quintero. Die beiden letzteren haben ebenfalls - wenn auch nur unbedeutende - Rollen im Irangate–Skandal gespielt. Shackley und Clines trafen bereits in John F. Kennedys Zeiten zusammen, als beide Mitglieder der „Mongoose Gang“ waren, Kennedys geheimer Anti–Castro– Streitmacht. 1965 wurden Shackley und Clines stellvertretende Leiter der CIA in Laos, wo sie eine taktische Allianz mit einem der größten Opiumproduzenten des Landes eingingen. Die Verbindung von Drogenschmuggel und geheimen CIA–Programmen, so das „Christic Institute“, läßt sich an diesen Personen in den darauffolgenden Jahren von Laos und Vietnam über den Iran bis nach Zentralamerika verfolgen. All dies klingt recht abenteuerlich, doch beweisen die Ereignisse seit der Einleitung der Anklage durch die Anwälte des „Christic Institute“, daß einige der Beschuldigten unruhig geworden sind. Richard Secord beauftragte einen ehemaligen CIA–Mitarbeiter, in Costa Rica nach Entlastungsmaterial zu forschen, bei Tony Avirgan findet sich ein Päckchen Kokain in der Post, mit einem Begleitschreiben von Tomas Borge. Verschiedentlich ist in den aktuellen Anhörungen auf den für das nächste Frühjahr erwarteten Prozeß gegen die 29 Beschuldigten verwiesen worden, doch hat bisher keiner der Abgeordneten oder Senatoren versucht, das Thema Drogenschmuggel der Contra anzusprechen. Eine überraschende Demonstration einiger Zentralamerika–Unterstützer während der Anhörung sollte am vergangenen Donnerstag an das Thema erinnern, wurde aber flugs von Saalordnern beendet.

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