: Collor kommt ins Schwitzen
■ Rechte und linke Opposition bei Brasiliens Gouverneurswahlen erfolgreich/ Nun will alles Präsident werden/ Erstmals zwei Schwarze gewählt
Brasilia (afp) — Brasiliens Präsident Fernando Collor de Mello hat bei der zweiten Runde der Gouverneurswahlen am Sonntag eine Niederlage einstecken müssen. Von den 15 zur Wahl stehenden Posten gingen die meisten an politische Gegner.
In Sao Paulo, dem mit 32 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesstaat, stimmten nach Fernsehberichten 43,5 Prozent für Antonio Fleury von der konservativen „Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung“ (PMDB). Auf den von Collor unterstützten früheren Gouverneur aus der Zeit der Militärdiktatur, Paulo Maluf von der rechtsgerichteten „Sozialdemokratischen Partei“ (PDS), entfielen 41,1 Prozent. Damit bleibt der Bundesstaat Sao Paulo in den Händen der PMDB. Der amtierende Gouverneur Orestes Quercia, der aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht wieder kandidieren konnte, bereitet sich jetzt auf die Präsidentschaftswahlen von 1994 vor. PMDB-Kandidaten siegten ebenfalls in den Bundesstaaten Parana und Paraiba. Ein weiterer potentieller Bewerber um das Präsidentenamt, Helio Garcia von der Mitte-Rechts-Partei PRS, wurde als Gouverneur des Bundesstaats Minas Gerais wiedergewählt.
Ebenfalls erfolgreich war die linksoppositionelle „Demokratische Arbeiterpartei“ (PDT), die vom Gouverneur von Rio de Janeiro, Lionel Brizola, geführt wird. Er war bereits in der ersten Runde der Gouverneurswahlen am 3. Oktober wiedergewählt worden. In der zweiten Runde siegten PDT-Kandidaten in den Bundesstaaten Rio Grande do Sul und Espirito Santo. Sie sind gleichzeitig die ersten schwarzen Gouverneure in der Geschichte Brasiliens. Mit dem Sieg seiner Parteifreunde konnte Brizola seine Position als Führer der linkspopulistischen Opposition weiter auf Kosten des Arbeiterführers Luiz Inacio „Lula“ da Silva von der sozialistischen „Partei der Arbeiter“ (PT) ausbauen, der sich nach seiner Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 1989 zunehmend von der nationalen Politik abkoppelt. Brizola ist neben Quercia und Garcia der dritte Politiker, der seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 1994 angekündigt hat.
Die Regierungspartei gewann lediglich in den nordöstlichen Bundesstaaten Piaui und Rio Grande do Norte. In der ersten Runde der Gouverneurswahlen hatten die Kandidaten der Regierung sieben Gouverneursposten errungen, die der Opposition zwei — in den Bundesstaaten Goias und Amazonas. Die gleichzeitigen Parlamentswahlen hatten eine leichte Mehrheit für die Opposition im Unterhaus (249 Abgeordnete gegen 237 für die Regierung) und eine knappe Regierungsmehrheit im Senat ergeben. Die linke Opposition — PDT, PT und die „Sozialistische Partei“ (PSB) — hatte die Zahl ihrer Abgeordnetensitze verdoppeln können.
Die Gouverneure sind nach dem Staatschef die mächtigsten Männer in Brasilien. Sie stehen an der Spitze von oft riesigen Bundesstaaten, deren Eigenständigkeit durch die föderative brasilianische Verfassung geschützt wird. Da sich Regierung und Opposition im Parlament die Waage halten, ist der Einfluß der Gouverneure auf die brasilianische Politik jetzt besonders hoch. Künftig wird Collor noch mehr als bisher auf die Unterstützung des Parlaments angewiesen sein, zumal Brasilien eine Rezessionsperiode durchmacht, die nach Meinung von Collor de Mellos Wirtschaftsberatern bis August nächsten Jahres dauern wird.
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