piwik no script img

Chuns neues Kabinett nur Makulatur

■ Südkoreas Präsident ernannte sechs neue Minister / Umbildung im Kabinett soll öffentliche Kritik an Regierung und Polizei entschärfen / Entscheidungskompetenzen weiter in Chuns Händen

Seoul (dpa/taz) - Der Foltertod eines Studenten im Januar dieses Jahres und der Skandal um Devisentransaktionen einer Schiffahrtsgesellschaft haben am Dienstag in Südkorea zu einer umfassenden Kabinettsumbildung geführt. Nachdem alle 26 Minister ihren Rücktritt eingereicht hatten, ernannte Präsident Chun Doo– hwan den politisch farblosen Universitätsprofessor Lee Han–ki zum neuen Ministerpräsidenten. Ausgewechselt wurden auch die Minister für Wirtschaftsplanung, Finanzen, Inneres und Justiz sowie der Chef des Geheimdienstes und der oberste Staatsanwalt. Die Kabinettsumbildung folgt scharfer öffentlicher Kritik an Re gierung und Strafverfolgungsbehörden, nachdem in der vergangenen Woche bekannt geworden war, daß höhere Polizeistellen mindestens drei Beamte gedeckt hatten, die an dem Foltertod des Studenten Park Chon–chol beteiligt gewesen waren. Fünf hohe Beamte - darunter der Chef der Anti–Kommunismus–Sektion - werden zur Zeit verhört. Zu den weiteren Festnahmen kam es erst, nachdem Priester während einer Messe drei weitere Beamte für den Foltermord verantwortlich gemacht hatten. Die Ablösung des halben Wirtschaftskabinetts wird von politischen Beobachtern auf den Skandal um die Schiffahrtsgesellschaft Pan Ocean Shipping zurückgeführt. Im Verlauf von Untersuchungen war bekannt geworden, daß große Summen Geld außer Land geschafft worden waren. Obwohl nach Auskunft der Staatsanwaltschaft dafür keine Beweise vorliegen, wird von der Opposition vermutet, daß auch Regierungsbeamte von den Transaktionen gewußt haben müssen. Von unabhängigen Beobachtern wird die Kabinettsumbildung als rein kosmetische Operation betrachtet, die ohnehin Mitte Juni nach dem Parteitag der Regierungspartei anstand. Die meisten Entscheidungsbefugnisse sind weiterhin beim Präsidenten konzentriert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen