: Chinesischer Volkskongreß wurde in Beijing eröffnet
■ In der Halle des Volkes wird eine spannende Sitzung mit kontroversen Diskussionen erwartet
Aus Beijing Jürgen Kremb
Mit nahezu 3.000 Delegierten aus allen Teilen Chinas wurde gestern mittag gegen 15 Uhr in der Beijinger Halle des Volkes die diesjährige Sitzungsperiode des Volkskongresses eröffnet. Nach dem Sturz des früheren Parteisekretärs Hu Yaobang in Folge von Studentenunruhen im Januar und der nachfolgenden Kampagne gegen bürgerlichen Liberalismus im Land der Mitte erwartet die Beobachter in den nächsten zwei Wochen die spannendste Sitzung seit Jahren. Der Volkskongreß ist das Parlament der VR China, das bisher jedoch nur die die Entscheidungen des ZKS und Politbüros der KPCh nachzubeten hatte. Mit dem neuen konservativen Vorsitzenden des Volkskongresses, Peng Zhen (79), kann jedoch davon ausgegangen werden, daß es zu kontroversen Diskussionen über die Wirtschaftspolitik, der Westöffnung von Premier Zhao Ziyand und Chinas starkem Mann Deng Xiaoping kommen wird. Peng Zhen, früherer Bürgermeister von Beijing, war das erste prominente Opfer von Mao Zedongs Kulturrevolution im Jahre 1966. Besonders seit seiner programma tischen Rede gegen „bürgerlichen Liberalismus in China“, die er im November 1986 vor den Studentenprotesten hielt, gilt er als heftiger Kritiker des gegenwärtigen Wirtschaftskurses. Die Zahl der Journalisten, die aus Hongkong und Macao angereist sind, ist im Vergleich zum Vorjahr um das Doppelte angestiegen. Besonders in den beiden Städten verfolgt man in den letzten Wochen aufmerksam jeden Klima–Umschwung im Reich der Mitte. Denn die heute noch britischen und portugiesischen Übersee–Kolonien sollen 1997 und 1999 wieder ein Teil Chinas werden. Das sino–portugiesische Abkommen, das vor wenigen Tagen abgeschlossen wurde und Macao 1999 als Zone mit hoher Eigenständigkeit an China zurückgibt, soll noch während der Sitzung des Volkskongresses ratifiziert werden. Der erste Sitzungstag brachte gleich eine personelle Überraschung. Der gestürzte KP–Generalsekretär Hu Yaobang nahm als Präsidiumsmitglied an der Eröffnungssitzung teil. In den letzten Wochen war in Beijing mehrmals die Vermutung aufgetaucht, der Bürgermeister von Tianjin, Li Ruihuan, könnte schon bei dieser Sitzung Zhao Ziyang in seinem Amt als Premier ablösen. Bereits ab 14 Uhr war gestern nachmittag eine schier unüberschaubare Wagenkolonne auf den zentralen Tian Anen–Platz zugerollt, die die Delegierten in die Fahnen–geschmückte Halle des Volkes brachte. Im tristen Bild der meist im blauen Mao–Anzug gekleideten Delegierten boten nur ein paar Vertreter der Minderheiten Chinas in ihren Trachten ein aufgelockertes Bild. Eine bemerkenswerte Schlappe, die besonders ausländische Investoren aufhorchen ließ, haben die Befürworter der Reform schon vor Beginn der Sitzung hinnehmen müssen. Eine Vorlage, das die Eigenverantwortlichkeit der Manager in den Staatsbetrieben als Gesetz vorschreiben sollte, wird dem Volkskongreß vorerst nicht vorgelegt werden. Die Partei soll offenbar weiterhin Nummer Eins in den Staatsbetrieben bleiben.
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