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Chinas Parteichef zurückgetreten

■ Hu Yanbong stieß beim konservativen Parteiflügel auf Kritik / Über Studentenunruhen gestolpert

Peking (afp/dpa/ap) - Offenbar infolge der Studentenunruhen ist am Freitag der chinesische Parteichef Hu Yaobang zurückgetreten, der sein Amt seit 1981 inne hatte. Der 71jährige war bereits seit mehr als zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Die Nachfolge als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas übernimmt vorläufig der 68jährige Zhao Ziyang, der seit 1980 Ministerpräsident der Volksrepublik ist. Zhao gilt als Begründer der wirtschaftlichen Reformpolitik und der Öffnung Chinas gegenüber dem Ausland. Vor dem Politbüro und dem ZK hat Hu laut „Neues China“ Selbstkritik geübt und erklärt, er habe in bedeutenden politischen Fragen Fehler begangen und während seiner Amtszeit die Parteiprinzipien der kollektiven Führung mißachtet. Hu bleibt eines der fünf Mitglieder des Ständigen Ausschusses des ZK, des höchsten chinesischen Organs. Hus Rücktritt folgte auf die Studentendemonstrationen in zahlreichen Städten. Fortsetzung Seite 6 Kommentar Seite 4 Hu habe in einem Brief an das Politbüro erklärt, er habe gegenüber „liberal–bürgerlichen Elementen“ versagt und lege deshalb sein Amt nieder. Diesen „Elementen“ war von den chinesischen Behörden die Aufwiegelung der Studenten zugeschrieben worden. Als Parteiführer war Hu zugleich Chefideologe der KP und somit verantwortlich für die ideologische Krise, die sich in den Studentendemonstrationen offen barte. In der chinesischen Gesellschaft stehen sich derzeit Dogmatiker und Verfechter des Reformkurses gegenüber. Als ein Mißerfolg erwies sich die Anti–Korruptionskampagne, die Hu im Auftrag von Deng Xiaoping im vergangenen Januar in den Reihen der Partei, der Regierung und der Armee startete. Kundige chinesische Beobachter führen den Druck auf Hu vor allem auf den auch im Politbüro vertretenen konservativen Parteiflügel zurück, der nach den Studentenunruhen offenbar die Rückkehr zu einer straffen ideologischen Linie und Disziplin in der Partei durchsetzen möchte. Unter Hu, aber vermutlich auch mit Billigung Dengs, hatten sich seit dem vergangenen Frühsommer auch die offiziellen Medien für eine lebhafte und erstaunlich offene Debatte über politische Reformen geöffnet, dabei sprachen sich selbst einige marxistische Wissenschaftler für gewaltige Teilung und die Einführung politischer Kontrolmechanismen in der kommunistisch geführten Volksrepublik aus. Hu war Teilnehmer des legendären „Langen Marsches“ der chinesischen Kommunisten 1934 und 1935 und geriet in der Kulturrevolution ins kritische Kreuzfeuer der Radikalen und wurde in die Provinz verbannt.

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