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Chinas Führung in Sorge

Kommunistische Regierung in Peking befürchtet „Verselbständigungstendenzen“ in den Streitkräften / Führung verweist auf „neue Lage“ / Für mögliche Risse in der Volksbefreiungsarmee gibt es allerdings keine Hinweise  ■  Aus Peking Boris Gregor

Eines der wichtigsten Schlagworte der chinesischen Propaganda ist zur Zeit die sogenannte „friedliche Evolution“. Diese im Westen positiv verstandene Formulierung hat für die Pekinger Führung indes einen bitteren Beigeschmack: Mit „friedlicher Evolution“, so die Reden und Leitartikel der Genossen, versuche die kapitalistische Welt, allen voran die USA, das sozialistische System Chinas zu stürzen.

Um diesen Versuch abzuwehren, bemüht sich die KP, die offensichtlich Verselbständigungstendenzen in den Streitkräften befürchtet, ihre ideologische Arbeit in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zu intensivieren. Ein gestern im Parteiorgan 'Volkszeitung‘ veröffentlichter Artikel fordert, die Chinesen so zu „erziehen“, daß sie durch „bürgerlichen Liberalismus und andere irrtümliche Theorien provozierte Störungen aus dem Weg räumen können“. Jegliche Gedanken und Aktionen, so das Dokument weiter, die die ideologische Arbeit vernachlässigten, „seien falsch und schädlich“.

Diese Forderungen gelten nun offensichtlich auch für die Befreiungsarmee, die am 4. Juni vorigen Jahres die Demokratiebewegung blutig niederschlug. Denn die KP-Führung scheint mit der politischen Verfassung der Truppe nicht zufrieden zu sein. Dies macht ein Papier der politischen Abteilung des Generalstabes deutlich, das die Erhöhung der „ideologischen und moralischen Qualität der Soldaten“ einfordert. Auch sollen Offiziere streng nach Fähigkeit und „politischer Integrität“ ausgewählt werden.

Seit dem Massaker am Platz des himmmlischen Friedens hatte es immer wieder Gerüchte gegeben, daß einzelne Truppenteile sich geweigert hätten, gegen die Studenten mit Gewalt vorzugehen. Der Chef der 37. Armee soll angeblich wegen Befehlsverweigerung vor Gericht stehen. Auch andere Kommandeure der bewaffneten Polizei wurden, weil sie offenbar nicht hart genug eingriffen, jüngst abgelöst und durch Militärs ersetzt.

Bei ihrer Ideologiekampagne greifen die Genossen tief in die Mottenkiste. Um Armee und Volk vorzuführen, wie sich der wahre Mensch zu verhalten habe, wurde das alte Paradebeispiel Lei Feng wieder einmal bemüht. Dieser Lei Feng war ein Soldat, der seinen Kameraden selbstlos die Schuhe putzte und überdies sein ganzes Leben der Partei widmete. Schon vor beinahe 30 Jahren hatte Mao Tsedong dem Volk befohlen, von Lei Feng zu lernen. Leider aber, so klagte die 'Volkszeitung‘, gebe es heute auch Leute, die das hehre Beispiel des braven Lei Feng verspotteten und verachteten. Für eine unmittelbar bevorstehende „Verselbständigung“ der Volksarmee indes, gibt es keine überprüfbaren Hinweise.

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