: Chinas Drang nach Süden
■ Bei Sicherheitstagung der südostasiatischen Staaten treffen sich US-Außenminister Christopher und Chinas Qian Qichen
Peking (taz) – Welche Rolle wird China künftig in der asiatisch- pazifischen Region spielen? Diese Frage steht im Vordergrund des Forums über Regionale Sicherheit, zu dem sich die Außenminister der Südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean heute mit ihren Kollegen aus China und den USA in Brunei treffen. Die Gespräche finden im Anschluß an die jährliche Konferenz der südostasiatischen Staaten statt, zu denen neben den Philippinen, Thailand, Brunei, Indonesien, Malaysia und Singapur neuerdings auch Vietnam gehören.
Noch in der vergangenen Woche hat China ganz in der Nähe von Taiwan Raketen getestet. Damit wollten die Pekinger Politiker offenbar zeigen, wie entschlossen sie sind, ihren Anspruch auf die Insel auf jeden Fall durchzusetzen und jeden Gedanken an eine taiwanesische Unabhängigkeit zu ersticken. Denn die chinesische Regierung ist durch die gegenwärtige Aufwertung der Beziehungen USA – Taiwan durch die US-Regierung und besonders den amerikanischen Kongreß stark verärgert, seitdem der taiwanesische Präsidenten Lee Teng-hui im Juni die Vereinigten Staaten besuchen durfte.
Auf der anderen Seite benutzen US-Politiker die Taiwan-Frage zu innenpolitischen Zwecken: ihrem Präsidenten Bill Clinton eins auszuwischen. So erhielt die 96jährige Witwe des langjährigen Führers von Taiwan, Generalissimo Jiang Kaishek, in der vergangenen Woche eine Ehrung durch den US- Kongreß, in dem Clintons Demokratische Partei in der Minderheit ist. Dabei hatte die alte Dame – eine der berühmten und mächtigen Soong-Schwestern, die sich im Bürgerkrieg und nach der chinesischen Teilung auf beiden Seiten befanden – seit über dreißig Jahren zurückgezogen gelebt. Nun tauchte sie plötzlich wieder auf.
Nach Informationen der Washington Post hat der US-amerikanische Präsident seinem Außenminister Warren Christopher, der heute den chinesischen Amtskollegen Qian Qichen trifft, eine Einladung für den chinesischen Staatschef Jiang Zemin mitgegeben. Diese Nachricht wurde aber bislang nicht bestätigt.
Sicher ist jedoch, daß Christopher sich für die Freilassung von Harry Wu einsetzen wird, einem ehemaligen politischen Gefangenen Pekings, der heute die US- Staatsbürgerschaft besitzt und vor sechs Wochen bei der Einreise nach China verhaftet worden ist (Siehe auch Seite 12). Sprecher der der chinesischen Regierung haben allerdings schon erklärt, daß ihr Außenminister keinesfalls gewillt sei, über den Fall Wu zu verhandeln.
Nervös und besorgt sind Chinas südostasiatische Nachbarn vor allem wegen des schwelenden Konflikts um die Spratleys. Mehrere Asean-Mitglieder erheben ebenso wie China und Taiwan Anspruch auf die Inseln. Die unbewohnten Atolle sollen in einem an Ölund Gas reichen Gebiet liegen. Für China bedeutet ihr Besitz aber auch eine Ausdehnung des militärischen Einflußbereiches weit nach Süden.
Die Asean-Minister appellierten am Wochenende an alle Beteiligten in dem Konflikt, „den Streit auf friedlichem Wege beizulegen“ und „von solchen Aktionen abzusehen, die die Region destabilisieren könnten, einschließlich durch eine Gefährdung der freien Schiffahrt“.
Am Wochenende wiederholten Vertreter der chinesischen Regierung ihre bisherige kompromißlose Haltung. Es gehe nicht an, sagte Sprecher Shen Guofang, daß sich „Staaten, die mit dieser Frage nichts zu tun haben“, einmischten. Es sei ganz eindeutig, daß China „einen unbestreitbaren Anspruch auf die Inseln im Südchinesischen Meer und die angrenzenden Gewässer“ habe.
Beobachter deuteten die Tatsache, daß China sich bereit zeigte, den Streit im Rahmen der Internationalen Seerechtskonvention zu behandeln, als leichtes Zugeständnis. Bislang haben die Pekinger Politiker darauf beharrt, daß sie über die Spratley-Inseln nur in bilateralen Gesprächen mit den verschiedenen anderen Interessenten sprechen reden wollen. Vor allem Vietnam und die Philippinen haben deutlich gemacht, daß dies nicht in ihrem Interesse liegt.
Der chinesische Staats- und Parteichef Jiang Zemin ist unter Druck, die Falken in der chinesischen Armee zu befriedigen. Sie haben eine Schlüsselrolle in Chinas bevorstehenden Kampf um die Macht, der nach dem Tode des Altpolitikers Deng Xiaoping bevorsteht. Dies gilt sowohl in der Spratley- als auch in der Taiwan- Frage. Jiang muß sich unnachgiebig zeigen, obwohl das chinesische Militär nicht die Kapazität besitzt, in Taiwan einzumarschieren oder eine Blockade durchzuhalten, sagt ein westlicher Militärbeobachter.
„China spielt ein gefährliches Spiel“, sagt er. „Wenn die USA und Taiwan nicht nachgeben, wie sollen sie (die Chinesen, d. Red.) dann aus dieser Ecke wieder herauskommen?“ Sheila Tefft/li
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