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China

■ betr.: "Nur der Sozialismus kann China retten", taz vom 21.3.90

betr.: „Nur der Sozialismus kann China retten“, taz vom 21.3.90

1. Der Informationswert dieses Artikels ist nicht sehr hoch. Man erfährt, daß der Volkskongreß tagte, daß es etwa 2.700 Abgeordnete gibt, daß alles „beim Alten“ bleibt. Besonders die ersten beiden Spalten des Artikels (die letzte nehme ich von meiner Kritik aus) sind katastrophal. Welchen Wert hat es, zu erfahren, daß die Abgeordneten mit dem Bus kamen, Jasmintee tranken und Sonderbriefmarken erstanden?

2. Mir fällt es nicht so leicht, Sozialismus als Gesellschaftsform auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, wie Boris Gregor das tut: „Regierung und die Kontrolleure sind, wie in allen übriggebliebenen sozialistischen Staaten der Welt, sowieso ein Herz und eine Seele.“ So einfach ist das also. Diese den Sozialismus diskreditierenden Regierungen, sei es in Albanien, Nordkorea, Kuba, VR Mongolei kann man getrost in einen Topf werfen. Ganz so einfach geht das nicht.

Und zum Schluß. Die chinesische Regierung, die absolut jede Glaubwürdigkeit und jegliches „Recht“ verloren hat, die Regierung des chinesischen Volkes zu sein, ist anders zu kritisieren als mit Beschreibungen wie den folgenden: „...schlürften sie Jasmintee...“, “...daß mancher Abgeordnete Amt und Würden vergaß und seinen Nebenmann mit Knuffen und Ellenbogenhebeln aus der Menge zu drücken versuchte“, “...im mittlerweile muffigen, leicht abgeblätterten Ambiente der Volkshalle“, “...nuschelte der Präsident“. Li Peng ist doch wahrlich nicht deshalb zu kritisieren, weil er nuschelt, der Volkskongreß nicht deshalb, weil sein Tagungsort, die Volkshalle muffelt. Mit solchen Beschreibungen gelingt keine Charakterisierung der jetzigen chinesischen Spitzenpolitiker. Damit gibt man sie einer fragwürdigen Lächerlichkeit preis, ohne auf ihre tatsächlichen Ambitionen, Taten und Machtgelüste einzugehen.

Bärbel, Bremen

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