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China vollstreckt noch immer Todesurteile

■ Zeitungen berichten über zwei neue Hinrichtungen / Zehn Jahre Haft für „Verbreitung von Gerüchten„/ Aus China geflüchtete Studenten fordern in Paris UNO-Untersuchung des Massakers und Maßnahmen gegen die chinesische Führung

Peking/Paris (afp/ap/dpa) - Zu zehn Jahren Gefängnis ist ein chinesischer Arbeiter verurteilt worden, der vor amerikanischen Fernsehkameras berichtet hatte, er sei Zeuge der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung gewesen, meldete am Donnerstag das chinesische Fernsehen. Kaum eine Stunde, nachdem das chinesische Fernsehen einen Auszug aus einem Gespräch Xiaos mit Reportern des US-Senders ABC ausgestrahlt hatte, wurde der 42jährige in der nordostchinesischen Hafenstadt Dalian festgenommen worden. Der Ausstrahlung war eine Aufforderung zur Denunziation gefolgt, der zwei Frauen nachkamen. Von einem Gericht in der Hafenstadt wurde Xiao nun für schuldig befunden „Gerüchte verbreitet“ und „die Volksbefreiungsarmee beleidigt“ zu haben.

Zwei Chinesen, die wegen ihrer Beteiligung an der Massenbewegung für mehr Demokratie in China angeklagt waren, sind am 8. Juli in Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, hingerichtet worden. Dies geht aus einem Bericht der Tageszeitung dieser Provinz hervor, die am Donnerstag in Peking eintraf. Der Zeitung zufolge waren Wang Guiyan und Zhou Xiangcheng am 1. Juli von einem Gericht zum Tode verurteilt worden, weil sie in der Provinzhauptstadt nach dem Pekinger Massaker Brände gelegt hätten.

Vor 150 Diplomaten äußerte Ministerpräsident Li Peng am Mittwoch, daß die jüngsten Unruhen in China dem Land schweren Schaden zugefügt hätten. Historisch gesehen seien sie jedoch eine gute Sache gewesen. Denn in der Konfrontation mit der schwierigen Situation habe die Partei eine neue Führung herausgebildet, und das Bewußtsein ihrer Kader sei gestiegen. Darüber hinaus erklärte Li, daß seine Regierung keine „Repressalien“ gegen chinesische Studenten im Ausland ergreifen werde, die dort gegen das Vorgehen der Armee auf dem Tiananmen demonstriert hatten. „Fern der Heimat und beeinflußt von westlichen Medien konnten sie nicht verstehen, was sich wirklich in China abspielte.“ Li fügte hinzu, daß die Studenten nach Beendigung ihres Studiums in China „willkommen“ seien. Im übrigen werde China weder seine auf Friedenssicherung gerichtete Außenpolitik noch seine Bemühungen zu freundlichen Beziehungen mit anderen Ländern aufgeben. Der Generalsekretär der KP Chinas Jiang Zhemin, bei der im Fernsehen übertragenen Ansprache ebenfalls zugegen, sprach sich in seiner Rede für vermehrte Berichterstattung im Ausland aus, um der Verdrehung von Tatsachen entgegenzutreten. Eine Sprecherin des Außenministeriums kündigte gestern an, daß China an der internationalen Konferenz zur Kambodscha-Frage in Paris teilnehmen werde.

Dort verlasen am Mittwoch auf der ersten Pressekonferenz seit ihrer aus der Volksrepublik geflohene acht Studentenführer einen offenen Brief an die in der Hauptstadt versammelten Staats- und Regierungschefs. Darin fordern sie die Schaffung eines Untersuchungsausschusses der Vereinten Nationen zur Aufklärung des Massakers am 4. Juni und der anschließenden Verhaftungen und Hinrichtungen. Die angesprochenen Politiker wurden aufgefordert, den Opfern der gegenwärtigen Repressionen mit allen Mitteln zu helfen und die chinesische Führung mit allen Mitteln einschließlich wirtschaftlicher Sanktionen und dem Bruch diplomatischer Beziehungen zur Beendigung ihrer Maßnahmen zu bewegen.

sl

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