: China: Neue Festnahmen
■ Acht Dissidenten verhaftet / Wei kommt frei – und muß „verreisen“
Peking (AFP/AP) – Wenige Tage vor dem Besuch von US-Außenminister Warren Christopher in Peking haben die chinesischen Behörden ihre Schikanen gegen prominente Regimekritiker fortgesetzt. Der bekannteste Dissident des Landes, Wei Jingsheng, wurde zwar am Samstag nach eintägigem Verhör wieder freigelassen; ein geplantes Treffen mit Journalisten am Abend kam jedoch nicht zustande, da er nach Angaben seiner Sekretärin „mit Freunden“ für unbestimmte Dauer an einen unbekannten Ort gereist sei. Angeblich wolle er sich ausruhen, hieß es; doch erinnerte der Vorfall an die Zeit nach der letzten Freilassung Weis im September 1993, als er mehrere Tage „mit Freunden“ in einem Gästehaus voller Polizisten zubrachte.
Zudem verhaftete die Pekinger Polizei gestern nachmittag Zhai Weimin, einen Anführer der Demokratiebewegung von 1989. Der 23jährige, der erst am 13. September 1993 nach dreieinhalbjähriger Haftstrafe freigekommen war, wurde nach Angaben von Freunden in der Nähe der Qinghua-Universität festgenommen. Insgesamt waren in den vergangenen Tagen in Peking und Schanghai acht chinesische Dissidenten inhaftiert worden. Die Verhaftungswelle hatte vier Tage nach einem Treffen Weis mit dem US-Unterstaatssekretär für Menschenrechte, John Shattuck, begonnen, bei dem Wei die USA aufgerufen hatte, in der Menschenrechtsfrage „so hart wie die Chinesen“ zu bleiben.
Die chinesischen Behörden bestätigten die Inhaftierung der Dissidenten Zhou Guoqiang, Wang Jiaqi und Yuan Hongbing. Der Verbleib der drei sowie des Gewerkschafters Qian Yumin war gestern unklar. Der Oppositionelle Bao Ge berichtete am Samstag, er sei für 22 Stunden von Polizisten festgehalten worden, die ihn dadurch an einem Treffen mit Shattuck hinderten. Der Studentenführer Wang Dan war am Samstag nach eintägiger Haft mit der Auflage entlassen worden, vor dem Eintreffen Christophers Peking zu verlassen.
Christopher lehnte es trotz der Vorfälle ab, seinen für kommenden Freitag geplanten Peking-Aufenthalt abzusagen. Er wolle sich aber für die Freilassung der noch inhaftierten Oppositionellen einsetzen. US-Präsident Bill Clinton hatte zuvor vor einer weiteren Belastung des Verhältnisses zwischen beiden Staaten gewarnt. Die USA wollten eine „starke und konstruktive Beziehung“ zu China, sagte er, „aber die Menschenrechte sind in unseren Augen wichtig“.
Nach Einschätzung von Beobachtern will die chinesische Führung deutlich machen, daß sie eine Einmischung in der Frage der Menschenrechte nicht hinzunehmen bereit ist. Die USA wollen die Verlängerung der Meistbegünstigungsklausel für China von Fortschritten bei den Menschenrechten abhängig machen. China sei sich aber offenbar sicher, daß das wachsende Wirtschaftsinteresse der USA schwerer wiege als die Sorge um die Menschenrechte, sagten Diplomaten in Peking.
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