piwik no script img

Chemieindustrie kündigt Entlassungen an

■ Der Stellenabbau soll in der Grundstoffproduktion erfolgen/ Branche mußte 1991 einen Gewinnrückgang um 15 Prozent hinnehmen/ Schuld ist die Umwelt-, Forschungs- und Steuerpolitik

Frankfurt (ap/taz) — Die westdeutsche Chemieindustrie hat angesichts rückläufiger Gewinne und einer stagnierenden Konjunktur für dieses Jahr Entlassungen angekündigt. Der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Hilger, erklärte gestern, zu einem Stellenabbau dürfte es vor allem im Bereich der in Deutschland teilweise unwirtschaftlich gewordenen Grundstoffproduktion kommen. Über das Ausmaß, so der Verbandspräsident, könne er noch keine Angaben machen.

Die Rahmenbedingungen für die chemische Industrie hätten sich auf drei Feldern entscheidend verschlechtert: in der Steuer-, der Forschungs- und der Umweltpolitik. Hilger beklagte vor allem die gewinnunabhängigen Kapitalsteuern, überlange Genehmigungszeiten bei der Entwicklung neuer Produkte sowie eine zu hohe Belastung durch Umweltabgaben.

Für einen Aufwärtstrend sehen die Chemieunternehmen in diesem Jahr keinerlei Anzeichen. Die Konjunktur der jahrelang boomenden Chemiebranche ist eingebrochen; vor allem im Auslandsgeschäft auf dem US-Markt mußten herbe Rückschläge hingenommen werden. Lediglich in den verbrauchernahen Produktionsbereichen, also beispielsweise der Pharma- und Kosmetikindustrie, laufen die Geschäfte dagegen nach wie vor gut, aber auch dort rechnet Hilger nicht mit einer steigenden Nachfrage.

Das Wachstum des Geschäftsvolumens der westdeutschen Chemieindustrie wird sich nach der Prognose des Verbandes 1992 auf ein bis zwei Prozent verlangsamen. 1991 stieg der Umsatz um drei Prozent auf 167 Milliarden Mark. Lediglich neun Milliarden Mark Umsatz erwirtschafteten die ostdeutschen Chemieunternehmen.

In den neuen Bundesländern hat der Verband nach einem drastischen Produktionseinbruch in der ersten Hälfte 1991 seit Juni aber einen „schwachen Aufwärtstrend bei Umsatz und Produktion“ registriert. Allerdings werde es noch mehrere Jahre und erhebliche Investitionen brauchen, bis die ostdeutsche Chemieindustrie verlustfrei arbeite, so der Geschäftsführer der ostdeutschen BASF-Tochter Schwarzheide, Hans Joachim Jeschke.

Laut Hilger entstanden im vergangenen Jahr siebzig Kooperationsvereinbarungen zwischen Chemieunternehmen in Ost- und Westdeutschland; insgesamt hätten westdeutsche Chemieunternehmen rund eine Milliarde Mark in den neuen Bundesländern investiert.

Für die nächsten vier bis fünf Jahre plant die Branche weitere Investitionen von vier bis fünf Milliarden Mark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen