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■ H.G. HolleinChefsache

Das Büro, in dem ich täglich sitze, erschien mir bisher stets als ein Hort beschaulich-ungetrübter Vorgangsabwicklung. Das sehen meine Mitarbeiterinnen offenbar ganz anders. Wie sonst erklärt sich die von beunruhigend kritikloser Begeisterung gekennzeichnete Rezeption eines subversiven Artikels aus der „Für Sie“, dessen fotokopierter Wiedergabe ich vor ein paar Tagen auf meinem Schreibtisch gewärtig werden mußte? Chefs in deutschen Firmen mangele es an „emotionaler Intelligenz“ steht da unter dem Stichwort „Frauen/Wirtschaft“. Und von der Unfähigkeit, „integrierend und ausgleichend zu wirken“ ist da die Rede. Das finde ich ungerecht. Ich finde es im Gegenteil einen Akt souveräner Konfliktdelegation, Frau P. und Frau W. ihren regelmäßigen Zusammenstößen betreffens nicht abgespülter Kaffeetassen ungestört nachgehen zu lassen. Einer jahrelang liebevoll gepflegten Teeküchenfeindschaft mit einem Machtwort ein Ende zu bereiten, entspricht nun mal nicht meiner Vorstellung von demokratischer Mitarbeiterführung. Auch den Vorwurf, „einsame Entscheidungen zu treffen“, kann ich getrost zurückweisen. Was ich entscheide, teile ich schließlich umgehend allen mit. Und daß ich Fehler nicht zugeben könne, ist einfach nicht wahr. Erst recht bin ich nicht „launisch und unbeherrscht“. Ist doch mein Ton stets kühl, distanziert und mitnichten vertraulich. Und daß bei einem launig-friderizianischen „Bringe sie mir doch einmal schnell einen Kaffee“ ein angehängtes „Bitte“ ein unschöner Stilbruch wäre, bedarf wohl kaum einer näheren Ausführung. „Teamgeist, Fairneß und Offenheit“ – an all dem lasse ich es nun wirklich nicht mangeln. Im Gegenteil: Ich bin ein Anhänger der sanften Dressur, wie ihn sich ein „Roncalli“-verwöhntes Bürorudel nicht sensibler wünschen kann. Aber wie das eben so ist: Das alternde, zahnlose Alphatier wird beim ersten Anzeichen von Schwäche eben gnadenlos weggebissen. Wenn das so weitergeht, werde ich die Samthandschuhe wohl ausziehen müssen.

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