■ Zur Strategie der SPD: Chaostage in Berlin
Wenn man es gut meinen wollte mit der vielgescholtenen SPD, könnte man die Verhandlungen der beiden letzten Tage als Beispiel für raffinierte Taktik lesen. Da saßen noch vor Wochen in verrauchten Hinterstübchen die SPD-Strategen und klügelten einen Schlachtplan aus: Schnell wird die Koalitionsvereinbarung mit der CDU samt Ressortverteilung unter Dach und Fach gebracht. Dann treibt man den verdutzten CDUlern den kalten Angstschweiß auf die Stirn und fordert kurzerhand über den in sozialdemokratischer Tradition straff geführten Landesausschuß ein paar Korrekturen ein. Nun ist die SPD nicht die CDU. Professionalität ist bei den Genossen ebenso ein Fremdwort wie taktisches Geschick.
Die Ereignisse der letzten Tage aber sind nicht die Folge kühler Überlegungen, sondern sozialdemokratisches Chaos. Kann die Partei nach dem gestrigen Tag nun wirklich zufrieden sein? Wohl kaum. Das Image ist fürs erste Mal wieder hoffnungslos raponiert. Die neue Ressortverteilung brachte zwar den Gewinn von Finanzen und damit eines wichtigen Querschnittressorts. Doch auf der Verlustrechnung steht das Bauressort. Wäre die SPD eine Truppe ausgekochter Bluffer, dann wäre die Interpretation auch in diesem Fall leicht: Eine sozialdemokratisch durchwachsene Verwaltung wird einem künftigen CDU-Senator ans Bein gehängt. Wer so denkt, der träumt. Die SPD hat sich einem Trauerspiel hingegeben, an dessen Drehbuch die gesamte Partei ihren Anteil hat. Severin Weiland
Jüdische Gemeinde
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