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Chance zur Vernetzung

Bundeszentrale für politische Bildung lud zu Rechtsextremismustagung. Vor allem Lehrer und Schüler kamen und suchten nach konkreten Möglichkeiten, aktiv zu werden

LEIPZIG taz ■ Ludwig hat die derzeitige Gretchenfrage der Politik für sich schon beantwortet: „Ich scheiße darauf, deutsch zu sein“, prangt auf seinem schwarzen T-Shirt mit dem rot-schwarzen Autonomenstern. Ein wenig fällt er hier auf dem neuen Messegelände von Leipzig schon heraus, denn der liebevoll-ungepflegte Irokesenschnitt seiner schwarzen Haare passt nicht in das Ensemble von Stahl und Glas, in dem sonst Manager in Anzügen herumhetzen. In den vergangenen drei Tagen aber war er gleichwohl genau hier am rechten Platz. Denn der Sauerländer Gymnasiast konnte einiges darüber erzählen, was er selbst auch in der westdeutschen Provinz schon durch Schlägereien mit Rechten erlebt hat: „Gewalt, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus in der Gesellschaft.“

Unter diesem Titel und mit der Fragestellung „Verirrung. Provokation oder Protest?“ hatte die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) in die sächsische Metropole geladen – und war überwältigt vom Interesse: Ursprünglich für 400 Teilnehmer angelegt, entschloss man sich angesichts von fast 2.000 Bewerbungen nach Aussage des neuen BpB-Chefs Thomas Krüger dazu, den Kongress für knapp 900 Interessierte zu planen. Und immer noch mussten etwa ebenso viele Bewerber abgewiesen werden.

Das zeigt, wie sehr das Thema derzeit vielen auf der Seele brennt – vor allem Lehrern und Pädagogen, die tagtäglich mit rechten Sprüchen konfrontiert sind und deshalb auch die große Mehrheit der Teilnehmer ausmachten. Etwa 200 Schülerinnen und Schüler wie Ludwig, viele engagiert in Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit, trugen zusätzlich dazu bei, dass in den Messehallen untypisch oft für Kongresse dieser Art ein klares Wort gepflegt wurde. Vielleicht auch deshalb, weil das Treffen von Wissenschaftlern, Pädagogen, Schülern und zivilgesellschaftlichen Initiativen den Sinn haben sollte, „neue Projekte und Ideen gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ zu entwickeln, wie Krüger verkündete.

„Von der Analyse zur Prävention“ – diese Forderung führender Wissenschaftler des Rechtsextremismusproblems stand folgerichtig auch im Vordergrund der Debatten: Nach fast zehn Jahren der Diskussion über die Gründe der rechtsextremistischen Gewaltwelle in Deutschland suchten man nun nach Lösungen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) warb am Montag für seinen NPD-Verbotsantrag und das Aussteigerprogramm für Nazis – anregender waren für viele Kongressteilnehmer aber die „Beispiele aus der Praxisarbeit“ am Dienstag in den Arbeitsgruppe zu Themen wie „Medienarbeit in der Schule“ oder „Demokratische Kultur lernen und leben“.

Offensichtlich war hier: Es ist mühsam, aber man kann etwas tun! Dies betonte etwa Friedemann Schindler von „Jugendschutz.de“, einer Institution der Bundesländer, die versuchen soll, pornographische und rechtsextremistische Sites im Internet aufzudecken und zu bekämpfen. Schindler verwies etwa darauf, dass es nur etwa 5.000 Nazi-Seiten im Netz gebe – ein Klacks gegenüber den Abermillionen, die mit Sex zu tun hätten: Warum sollte es nicht gelingen, Provider und hinter ihnen stehende Konzerne dazu zu bewegen, all diese Seiten zu sperren? Denn so unübersichtlich sei dies braune Feld keineswegs.

Über solch konkretes Handeln gegen die rechten Demokratiefeinde und die Verantwortung aller war viel zu lernen – weshalb Bundespräsident Johannes Rau mit seinem Schlusswort den Punkt traf: Er wertete den Rechtsextremismus als Ausdruck gesellschaftlicher Missstände, die alle angehen. Eine Einsicht, die den nichtstolzen Rau mit dem Politpunk Ludwig aus Arnsberg am Ende verband.PHILIPP GESSLER

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