piwik no script img

Center-GeburtstagEin Hauch von Staatsakt

Die Gröpelinger Waterfront feierte am Wochenende einjähriges Bestehen. Im ehemaligen Space Park floriert der Einzelhandel im Niedrigpreis-Segment

Christian Weber vollzieht den Tortenanschnitt um 10.45 Uhr Bild: Promo

Es passiert etwas auf dem Gelände der ehemaligen AG Weser-Werft. Und mehr kann man im Grunde nicht wollen: In den 1980ern hatten hier 2.000 Arbeiter durch die Werftschließung ihren Job verloren, danach goss der Senat 200 Millionen Euro bremische Landesmittel in Beton. Im Frühjahr 2004 hatte der Space Park eröffnet. Das Prestige-Projekt der großen Koalition. Nach nur vier Monaten schloss der Freizeitpark wegen Besuchermangels. Statt die Wunde in Gröpelingen zu schließen, hatte man sie neu aufgerissen. Mittlerweile ist der Betonkoloss ein Einkaufszentrum. Ein Jahr hält sich die Waterfront nun schon. Kein Wunder, dass der Bürgerschaftspräsident den Geburtstagsfeierlichkeiten am Wochenende einen Hauch von Staatsakt verleiht.

Um exakt 10.45 Uhr vollzieht Christian Weber (SPD) am Samstag den Tortenanschnitt. "Führen sie meine Hand", wendet er sich an den Center-Manager Peter Schneider. Der leistet der Aufforderung unverzüglich Folge. "Die Erinnerung an den Space Park schmerzt noch immer", sagt Weber. Ferner rühmt er den Erfolg des Centers und bekennt, selbst Kunde zu sein. Er fahre nicht zu Dodenhof, um sein Geld in Niedersachsen auszugeben. Er komme hierher. Es gibt Applaus.

Geburtstagsfeiern sind Momente der Fassade: "Die Waterfront", sagt ein Mieter, "ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet". Er macht gute Miene zum Geburtstag und will nicht namentlich genannt werden. Anders bilanziert Center-Manager Schneider: "Unsere Kombination aus Events, Einkaufen, Flanieren und der Nähe zur Weser kommt bei den Leuten gut an". 80 Geschäfte und 15 Gastro-Betriebe haben sich mittlerweile angesiedelt. Zur Eröffnung waren 25.000 BesucherInnen pro Tag das Ziel gewesen. Zahlen würden nicht systematisch erfasst, sagt Schneider. "An guten Samstagen kommen wir aber auf 40.000". Sehr zufrieden sei man.

Für die Festivitäten wurden keine Mühen gescheut. Ein Feuerwerk wird gezündet, Tanzmusik wird dargeboten und eine Miss-Wahl wird durchgeführt. Drei mal drei Meter misst die Torte, Buttercreme mit Marzipanüberzug. Die Fruchtfüllung weckt, darin Prousts Madeleines nicht unähnlich, Erinnerungen an Kindheitstage. Blendi, so hieß doch diese Zahnpasta. Essen wirft man nicht in den Müll. Viele Pappteller mit angebissenen Tortenstücken bleiben in diversen Ecken stehen.

Die Verheißungen waren groß zu Beginn. Ein "Flanier-Center an der Weser" sollte die Mall werden. Nicht um die Befriedigung täglicher Bedarfe ginge es, hatte Center-Manager Schneider noch vor einem Jahr verkündet. Shopping sollte in der Waterfront zur Freizeitbeschäftigung werden. Hochwertige Marken und anspruchsvolle Gastronomie wollte man auf den 44.000 Quadratmetern Verkaufsflächen bieten. All das gepaart mit Freizeitangeboten wie Indoor-Sport. Die sollten sich dort ansiedeln, wo einst die Karusselle des Space Parks standen. Auf den 20.000 Quadratmetern gibt es bislang nur das Multiplexkino. Es stammt noch aus Space -Park-Zeiten. Der Rest steht leer.

Es herrscht nicht viel Verkehr am Jubel-Samstag. Ungestört sind die Gänge zu passieren. Geburtstags-Sonderangebote sind kaum ausgezeichnet. Vielleicht wird es ja noch voller.

Für 50 Millionen Euro hatte die irische LNC-Group 2006 den gescheiterten Freizeitpark aufgekauft. Und einen kompletten Neustart angekündigt: Aufbrechen hatte man den Beton-Klotz wollen, eine Promenade mit Restaurants und Sonnensegeln an der Weser entwickeln. LNC hat die Verkaufsflächen auf Vordermann gebracht. Rund 80 Millionen Euro hat sie investiert, dann die Ladenlokale vermietet. Seitdem ist wenig passiert.

"Die Außengastronomie war uns fest versprochen worden", ist von Mietern zu hören. Zu kämpfen haben vor allem die exklusiveren Geschäfte, die dem ursprünglichen Center-Profil entsprechen. Heute sind "H&M", "C&A", "Deichmann" und seit Mai der irische Mode-Discounter "Primark" die Ankermieter. Groß ist das Sortiment unter zehn Euro. Das lockt vor allem preisbewusste KundInnen aus der näheren Umgebung. "Wenn es nicht gelingt, Leute von weiter her zu ziehen, wird es schwierig", ist die Sorge einiger Mieter. Auf zehn Jahre Betriebspflicht haben sich viele verpflichtet. Das war die Vertragsbedingung, um ins Center zu kommen. Von anderen heißt es, sie seien mietfrei.

Auch an die Kleinen hat man zum Geburtstag gedacht. Sie haben Gelegenheit, sich von Luftballonmodulatoren kunstvolle Plastikskulpturen knoten zu lassen. Kostenlos.

Aktuell stehen 14 Prozent der Verkaufsfläche leer. Verhandlungen mit Kandidaten werden geführt, sagt Schneider. Neue Kundenmagnete sollen ein Lebensmittel- und ein Elektrogeschäft werden. Ein Name, der beim Vertragspoker immer wieder fällt, ist die Edeka-Gruppe. Edeka-Regionalsprecher Andreas Laubig gibt sich verhalten. Die Tendenz sei eher negativ, sagt er. Hohe Investitionen wären erforderlich, um ein Ladenlokal in der Waterfront herzurichten. Fraglich, ob sich das rentiere. "Eine Einigung mit dem Betreiber gestaltet sich schwierig", so Laubig.

"An Konzepten soll man nicht statisch festhalten", sagt Schneider. Die Neuausrichtung auf die Sparten Technik, Elektro und Lebensmittel, auch die "breite Preisspanne" des Angebots entsprächen zwar nicht dem ursprünglichen Profil. Sie seien aber explizite Kundenwünsche.

Ein guter Teil der Tortenstücke wird am Samstagvormittag behutsam in Servietten gepackt und unprobiert mit nach Hause genommen. Es ist Ramadan. Auch in Gröpelingen geht um 19.42 Uhr die Sonne unter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!