Cem Özdemirs Fleischlabel: Das Schnitzel hat seinen Preis

Das geplante Tierwohllabel hat einige Schwächen. Aber es lenkt den Blick darauf, was in der Debatte um Fleischpreise reichlich schief läuft.

Schweine auf einer Weide

Viel Auslauf an der frischen Luft: Bioschweine auf einer Weide in NRW Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Schnitzel werden Luxus. Auch das noch! Der grüne Bundesagrarminister, Cem Özdemir, selbst Vegetarier, will den Leuten das Fleisch nur madig machen. Er schlägt jetzt eine Kennzeichnung für Fleisch vor, damit man sieht, wie es dem Tier, das dies geliefert hat, ergangen ist im Leben. So eine Art Warnhinweis wird das. „Vorsicht! – Wenn Sie Fleisch aus dieser Billig-Billig-Haltung essen, bekommen Sie ein richtig fettes schlechtes Gewissen.“

Ja, die Geschichte lässt sich so erzählen. Sie stimmt nur nicht. Es gibt gute Gründe, Özdemirs Fleischlabel nicht so gut zu finden: Es bezieht sich erst einmal nur aufs Schwein. Warum nicht gleich auch auf Rind und Huhn? Restaurants müssen nicht mitmachen, Gäste werden also nicht unbedingt wissen, was ihnen aufgetischt wird.

Und wieso hat das eigentlich so viele, nämlich fünf Stufen, wobei die erste allein den gesetzlichen Mindeststandard voraussetzt? Wäre es nicht übersichtlicher, wenn nur die besten Formen gekennzeichnet würden? Darüber muss gestritten werden, das sind entscheidende Details.

Auch über den Zwei-Klassen-Mampf ist zu reden. Darüber, dass sich manche am Monatsende vielleicht gar kein Fleisch und nur noch Toastbrot leisten können. Aber wann ist die soziale Frage schon mal ein Thema, etwa in einer Talkshow? Eben. Auffällig anders wird das erst, wenn es darum geht, dass sich Produktions- und Lebensweisen ändern sollen für den Klimaschutz, für die Rettung der Biodiversität, für das Tierwohl. Dann gibt es zuverlässig diesen Aufschrei: Wie unsozial ist das denn? Wie soll sich das die alleinerziehende Krankenschwester leisten (es sind gern die alleinerziehenden Krankenschwestern, die herangezogen werden).

Teure Folgen durch Tierhaltung

Es geht dann aber nicht um eine neue, eine andere, gerechtere Familien- und Sozialpolitik, sondern: Es soll sich bitte nichts ändern. Das ist der eigentliche Luxus. Wenn die Tiere dicht gedrängt zusammen in einem Stall stehen, mit Soja und Mais gefüttert sowie mit Antibiotika behandelt werden, dann verursacht das teure Folgen wie Antibiotika-Resistenzen beim Menschen und die Erderhitzung.

Und es geht auch für das Leben auf dem Land nicht ohne Veränderung. Immer mehr Bäuerinnen und Bauern fürchten um ihre Existenz, machen ihre Höfe dicht. Sie brauchen eine Regierung, die für das Leben auf dem Land eine neue Idee entwirft. Cem Özdemir verspricht, die Tierhaltung in Deutschland halten zu wollen. Er will dem Dorfsterben etwas entgegensetzen und den radikalen Kräften wie der AfD dort. Das darf etwas wert sein. Das teurere Schnitzel ist kein Luxus. Es ist der richtige Preis.

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War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.

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