Cem Özdemir versus Bauernverband: Agrarlobby kämpft für Klimakiller

Der Bauernverband lehnt es ab, weniger Tiere zu halten – obwohl sie viel Treibhausgas produzieren. Agrarminister Özdemir warnt die Höfe.

In Plastik verpacktes Hähnchenfleisch

Brauchen wir das für die Gesundheit? Hähnchenfleisch aus dem Supermarkt Foto: Erik Irmer

BERLIN taz | Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hat sich trotz des hohen Treibhausgasausstoßes der Tierhaltung dagegen ausgesprochen, die Viehzahlen zu senken. „Wir müssen in Deutschland unseren eigenen Weg gehen, und der muss zum Ziel haben, dass wir die Tierhaltung in Deutschland halten, dass es zu keinem weiteren Abbau kommt“, sagte der Landwirt am Donnerstag vor Eröffnung der weltgrößten Agrarmesse Grüne Woche in Berlin.

Die Gesetzentwürfe von Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) für mehr Tierschutz seien „kein Zukunftsprogramm, sondern ein Abbauprogramm“. Dabei würden die Deutschen bereits deutlich weniger Fleisch essen als der EU-Durchschnitt, der Verzehr falle schon lange.

„Fleisch gehört zu einer ausgewogenen Ernährung. Der menschliche Körper braucht tierisches Eiweiß“, ergänzte der Verbandschef. Außerdem sei die Tierhaltung für die betroffenen Agrarbetriebe „das Rückgrat, und das müssen wir stabilisieren.“

Minister Özdemir, der nach eigenen Angaben seit seinem 17. Lebensjahr Vegetarier ist, antwortete auf Rukwieds Aussagen, auch die Landwirtschaft müsse ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Agrarbranche und da vor allem die Tierhaltung verursacht laut Umweltbundesamt rund 13 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland (inklusive der Emissionen aus Agrarböden und landwirtschaftlichem Verkehr).

Auch deshalb gab der Grüne das Ziel aus, weniger Tiere zu halten – aber unter besseren Bedingungen. Dazu soll das geplante verpflichtende Tierhaltungskennzeichen beitragen, damit VerbraucherInnen Schweinefleisch aus engen Ställen ohne Auslauf von Produkten aus Ställen mit Zugang ins Freie und mehr Platz besser unterscheiden können. Zudem will Özdemir Landwirte stärker bezuschussen, die ihre Tiere besser halten. Weiterhin plant der Grüne strengere Tierschutzvorschriften zum Beispiel für Mastputen.

Ein sorgfältig geplanter Fleischverzicht sei keinesfalls ungesund, sagen ErnährungsforscherInnen

„Weniger Tiere, mehr Platz, das heißt ja nicht gar keine Tiere“, stellte Özdemir klar. Diejenigen, die den Bauern versprächen, sie könnten den Klima- und Artenschutz zurückfahren und die Fleischproduktion wieder ausweiten, seien „keine Freunde der Landwirte“. Denn es sei nicht zu erwarten, dass China, das selbst immer mehr Ställe baut, wieder Fleisch aus Deutschland kauft und dass die VerbraucherInnen hierzulande wieder mehr Fleisch essen. „Diese Absatzmärkte werden nicht wiederkommen, sondern wir müssen uns der veränderten Marktnachfrage anpassen, und darum ist eine Antwort darauf Qualität“, so Özdemir.

Die wichtigste ernährungswissenschaftliche Fachgesellschaft hierzulande, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), widersprach der Behauptung, Fleisch sei aus medizinischen Gründen nötig. „Eine abwechslungsreiche und sorgfältig zusammengestellte ovo-lacto-vegetarische Ernährung ist eine ernährungsphysiologisch günstige und gesundheitsfördernde Ernährungsweise.

Sie kann aus Sicht der DGE als Dauerkost für alle Altersgruppen – also auch für Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende – empfohlen werden“, teilte die Organisation der taz mit. „Hülsenfrüchte haben einen hohen Anteil an Protein, was sie zu einer guten Fleisch­alter­native macht.“ Das darin enthaltene Eisen könne der Körper besser nutzen, wenn man gleichzeitig Vitamin-C-reiche Lebensmittel zu sich nähme.

Die DGE rät zu maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. Derzeit verzehren Männer im Schnitt fast das Doppelte.

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