■ Cash & Crash: Furor teutonicus
Rom (taz) – Ach, was täten die Italiener ohne die Bösewichte im Norden? Ganz alleine müßten sie verantworten, was ihre Politiker anstellen, ihre Manager aushecken, ihre Börsenagenten versauen.
Da hat der Waigel Theo vor zwei Wochen die Lira schwer in Bedrängnis gebracht, indem er dem traumtänzerischsten aller Eurovölker mit seinem Spruch von der Unreife fürs geeinte Abendland die schöne Illusion eines nahenden Unterkriechens unter den harten Markadler genommen hat, und das war bestimmt eine Untat des Finanzjongleurs aus Bonn. Doch für was er nun alles herhalten muß, dafür kann der „Augenbuschige“ (RAI) nun wirklich nichts.
Da ist zum Beispiel die total mißglückte Fusion der Fiat-Tocher Gemina, tätig im Versicherungs- und Bankenwesen, mit der aus dem maroden Ferruzzikonzern herausgelösten Montedison, einem Chemiegiganten der Spitzenklasse. Vermittelt hat's die Mediobanca, graue Eminenz unter Italiens Geldinstituten und immer gut, wenn irgendwas zügig und meist vorbei am Fiskus zusammengefügt werden soll.
Doch an der Börse stürzte das Vorhaben sogleich steil ab – trotz der euphorischen Kommentare in allen Medien, trotz der durch bösartige Auslassungen ausländischer Konkurrenten geradezu einhellig bestätigten mutmaßlichen Potenz dieser „Super Gemina“. Der Normalverbraucher würde sagen: War wohl nichts, die Käufer trauen eben solchen künstlichen King Kongs nicht. Doch in Italien las man's anders: Schuld ist, natürlich, der Waigel. Zwar war das Börsendesaster der Gemina- Montedison schon eine Woche vor dem Lira-Spruch des Deutschen geschehen, aber je mehr Zeit vergeht, umso leichter läßt es sich jetzt auf böse teutonische Diatriben zurückführen.
Auch daß die Börse seit Wochen flach darniederliegt, kann nur am Verdikt aus dem Rheinland liegen: Zwar haben viele Experten schon seit Monaten analysiert, daß der zeitweilige Höhenflug der Aktien überhitzt war; verursacht von Käufen aus Übersee, wo einige Agenturen den vorübergehenden Kauf von „Italien“ empfohlen hatten, weil sich italienische Produkte derzeit aufgrund der Liraschwäche gut verkaufen – doch damit werde es vorbei sein, wenn der Markt einigermaßen gesättigt ist. So die Voraussage, und so ist das nun wohl geschehen.
Auch die Inflationsrate, seit Monaten weit von jedem Rückgang entfernt, ist neuerdings das Produkt Waigels: Gerade habe Ministerpräsident Dini so schön den Haushalt saniert, doch nun, mit dem Waigelschen Lirasturz, müsse der Staat wieder Geld aufnehmen, sei der Haushaltsansatz Makulatur. Und wie immer in solchen Fällen ziehen nach Erkenntnissen des Finanzministeriums Produzenten und Verkäufer schon mal prophylaktisch Teuerungen durch – um danach, wenn die unvermeidlichen Steuererhöhungen beschlossen sind, ein zweites Mal zuzuschlagen. Wieder wird es Waigel sein, der den Italienern diese Bürde aufgeladen hat. Wenn es ihn nicht gäbe, den Theo, die Italiener müßten sich ihn glatt erfinden. Werner Raith
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