■ Cash & Crash: Die Ausgestoßenen meckern
Berlin (taz) – Bei den Deutschen Börsen hängt der Haussegen schief. Ursache ist die Kooperation der großen Frankfurter Börse mit den Handelsplätzen in Düsseldorf, München und Berlin. Diese vier haben einen Vertrag geschlossen, der auf einen Trägerverein für alle Aktienhäuser hinausläuft. Damit sollen nach Auskunft der Frankfurter Deutsche Börse AG, die alleine mehr als drei Viertel der deutschen Aktienumsätze abwickelt, Verwaltungskosten gespart werden. Außerdem soll modernste Elektronik den Handel noch attraktiver machen.
Die vier Regionalbörsen Stuttgart, Hamburg, Bremen und Hannover fürchten nun einen Verdrängungswettbewerb. Sie wurden von dem Kooperationsabkommen nach eigener Darstellung überrascht und kommen nun nicht mehr rechtzeitig an Bord – schon allein aus technischen Gründen, wie die Deutsche Börse AG meint. In einer ersten Stufe soll nämlich ab Mai 1997 ein sogenannter Dach- Skontro ermittelt werden. Skontro nennen Wertpapierhändler ihr Orderbuch. Für die umsatzstärksten Aktienwerte würden dann die Orders von Käufern an den Kooperationsbörsen in einen gemeinsamen Pool eingehen und daraus der Kurs berechnet.
Gegen eine einheitliche Ermittlung des Aktienkurses in Deutschland hat eigentlich niemand etwas, aber: die vier freien Börsen könnten frühestens ab Januar 1998 beim Dach-Skontro mitmachen. „Dann wäre das Fell des Bären verteilt“, meint Dirk Hoffmann, Banker und Präsident der Niedersächsischen Börse in Hannover. Die Notierungen der einzelnen Unternehmen an bestimmten Börsen wären festgeschrieben, die Spätkommer gingen leer aus. Ein heftiger Schag ins Imagekontor. Anleger würden sich dann wohl gleich an die anderen Handelsorte wenden. Nun erwägen die vier freien Börsen ein Kartellrechtsverfahren.
Das eigentliche Problem des Börsenstandorts Deutschlands sieht Präsident Hoffmann allerdings nicht in der Zersplitterung: „Technisch sind wir weltweit schon vergleichsweise elegant und schnell beim Abwicklen der Geschäfte. Da stellt sich die Frage, ob der große Aufwand für neue Technik wirklich rentabel ist.“ Börsenplätze wie Chicago oder London arbeiten laut Hoffmann teilweise „mit vorsintflutlichen Methoden“, aber riesigen Umsätzen. Dorthin fließen die vielen Milliarden der privaten Altersversorgung der Angelsachsen.
Wenn das Rentensystem in Deutschland weiter ins Wanken kommt, wird auch hier mehr Vorsorgekapital in Aktien angelegt – die Entwürfe von Rentenminister Norbert Blüm sind also wichtiger für die Börsen als die jetzigen Streitigkeiten. rem
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