Carsharing im Selbstest: Ab und zu ein Auto
Wer nur manchmal einen motorisierten Untersatz braucht, kann heute zwischen unterschiedlichen Carsharing-Modellen wählen. Aber ersetzt das wirklich ein eigenes Auto?
Endlich ist es so weit: Das Auto wird abgeschafft. Braucht man ja kaum in Berlin, fanden mein Freund und ich. Aber nur auf BVG, S-Bahn und Fahrrad wollen wir uns nicht verlassen – da kämen Baustellen, Zugausfälle und Regen zu oft in die Quere. Deshalb haben wir beschlossen, es mit Carsharing zu versuchen.
Nun gibt es da nicht mehr nur Anbieter mit festen Stationen und Monatsbeitrag, sondern auch neue To-go-Vermieter, deren Ausleihflitzer man per Smartphone ortet. Freunde, denen wir von unserem Plan berichten, sind skeptisch: Kann das klappen? Wir machen den Test.
Drei Anbieter nehmen wir ins Visier: Die beiden „Immer-und-überall“-Anbieter Car2Go (Smart) und //www.drive-now.com/staedte/berlin/:DriveNow (BMW/Mini) sowie den klassischen Dienst Stadtmobil. Preislich nehmen sich die beiden ersten nichts: 29 Cent pro gefahrener Minute, 9 und 10 Cent pro geparkter Minute. Die Anmeldegebühr ist bei Car2Go günstiger: rund 10 Euro gegenüber DriveNow mit rund 30 Euro. Für Benzin oder Versicherungen zahlt man bei beiden nichts, sogar die Parkgebühren werden übernommen. Carsharing ist klar günstiger als ein nur sporadisch genutzter Privat-Pkw.
Die Anmeldung muss bei beiden To-go-Anbietern persönlich vorgenommen werden. Car2Go, der Anbieter mit den meisten Autos und dem größten Geschäftsgebiet, sitzt am Alexanderplatz. Die Anmeldung ist unkompliziert: Onlineformular ausfüllen, Führerschein und EC-Karte vorzeigen, unterschreiben.
Abrechnung zum Hetzen
Als wir die Geschäftsstelle verlassen, schüttet es aus Kübeln, aber einer der weiß-blauen Smarts steht gleich um die Ecke. Ist der frei? Das Smartphone gezückt, drei Klicks, der Wagen gehört uns! Wir fahren vom Alex nach Steglitz, bleiben trocken und verbrauchen dabei sogar nur knapp die 30 Freiminuten, die uns bei der Anmeldung geschenkt wurden. Dennoch wird schon jetzt klar: Manchen dürfte die Abrechnung nach Minuten zum Hetzen anstiften.
Auch ein paar andere kleine Probleme zeigen sich im täglichen Gebrauch: So umfasst das Geschäftsgebiet von Car2Go nicht das gesamte Stadtgebiet. In den Randbezirke häufen sich die weißen Flecken, in denen das Auto nicht wieder abgestellt werden kann. Wer hier parkt, zahlt weiter – wenn auch den günstigeren Parktarif. Der zweite Haken: Car2Go bieten nur Smarts an. Was, wenn wir ein Regal transportieren müssen? Was, wenn wir mal zu dritt unterwegs sind?
Zumindest letzteres Problem löst der andere Großanbieter: Drive Now hat außer Minis auch 1er-BMWs im Angebot, da passt mehr rein. Dafür ist das Geschäftsgebiet noch kleiner: Bis auf wenige Ausnahmen wie etwa Steglitz müssen die DriveNow-Autos innerhalb des S-Bahn-Rings abgestellt werden. Zudem hat DriveNow weniger Fahrzeuge: 500 gegenüber rund 1.000 Car2Go-Smarts. Immerhin zeigt unsere Erfahrung: Irgendein Fahrzeug ist laut Smartphone immer in der Nähe. Selten müssen wir länger als drei Minuten zu einem freien Wagen laufen.
Apropos Smartphone: Die Apps der beiden Anbieter sind von unterschiedlicher Qualität. Die von Car2Go fürs iPhone schmiert regelmäßig ab und zeigt oft keinen freien Smart an, obwohl man direkt vor einem steht. Die DriveNow-App funktioniert dagegen zuverlässig. Wohl nicht von ungefähr wird die DriveNow-App im AppStore besser von den Nutzern bewertet.
Gar kein Smartphone braucht man für das Ausleihsystem von Stadtmobil. Der Anbieter verfügt über 55 feste Stationen in Berlin, die jeweils mit ein oder zwei Fahrzeugen bestückt sind. Insgesamt ist das Angebot deutlich kleiner, es stehen nur 85 Autos zur Verfügung. Hier gibt es unterschiedliche Fahrzeugmodelle zu gestaffelten Preisen. Abgerechnet wird zudem sowohl nach Leihdauer als auch nach gefahrenen Kilometern – kompliziert. Der Tarifrechner auf der Stadtmobil-Website ist dringend vonnöten und errechnet: Wenn wir ein Auto länger als ein paar Stunden nutzen möchten oder eine weitere Fahrt planen, ist Stadtmobil günstiger als die Überall-Anbieter.
Für die Fahrt am Wochenende zu den Schwiegereltern in Sachsen-Anhalt wollen wir darum ein Stadtmobil-Auto reservieren. Bloß: Drei Tage vor der Fahrt ist kein Fahrzeug mehr frei. Hier muss man also schneller sein. Wir fahren stattdessen mit einem DriveNow-Mini und zahlen für etwa sechs Stunden Nutzung rund 60 Euro. Vertretbar. Mit Stadtmobil hätte uns die Tour 5 Euro weniger gekostet.
Unser Fazit: Carsharing funktioniert in Berlin ziemlich gut. Allerdings sollte man das Auto wirklich nur ab und zu brauchen. Sinnvoll ist auf alle Fälle, bei mehreren Anbietern angemeldet zu sein, um je nach Situation die beste und günstigste Lösung auswählen zu können. In der Innenstadt darf man ruhig spontan sein, für Fahrten ins Umland oder in den Urlaub sollte man vorausplanen. Und: sorry für alle, die nicht zentrumsnah wohnen. Sie müssen beim Carsharing leider draußen bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste