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Carepaket und Adenauers Benz

In Bonn steht das „Haus der Geschichte“ vor der Eröffnung / Geschichte der BRD bleibt „roter Faden“, Ostdeutschland wird per Trabi repräsentiert  ■ Von H.-M. Tillack

Bonn (taz) – Der Gedanke entstand irgendwann zu Beginn der 80er Jahre in Berlin, der Hauptstadt der DDR. Im Neubauviertel Marzahn sollte ein Museum errichtet werden, das eine Dauerausstellung zur Geschichte des SED-Staates beheimaten könnte. Im Museum für deutsche Geschichte im Ostberliner Zeughaus, in dem die DDR bereits einen festen Platz hatte, war es eng geworden. Weil der Platz fehlte, „um den Ansprüchen des Politbüros gerecht zu werden“, erinnert sich der damalige Zeughaus-Abteilungsleiter Jürgen Winkler, entstand die Idee eines Museums der ostdeutschen Nachkriegszeit. Politbüro und ZK waren interessiert. Doch die angespannten Baukapazitäten der Republik verhinderten eine Realisierung.

Solche Probleme hatte man 600 Kilometer weiter westlich nicht. In Bonn am Rhein übergab Bauministerin Irmgard Schwaetzer im Juni 1993 den Museumsmachern des „Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ einen granitverkleideten, 116 Millionen Mark teuren Neubau. Zur Zeit wird die Ausstellung aufgebaut, die im Frühsommer 1994 eröffnet werden soll. Geschichtsinteressierte Besucher können sich dann von der Lackqualität von Konrad Adenauers Mercedes 300 überzeugen, können sich über den Stuhl neigen, auf dem sich der GI Elvis Presley im hessischen Friedberg frisieren ließ, und die Schreibmaschine von Andreas Baader bestaunen. Das alles bei freiem Eintritt und etwa 15 Millionen Mark an jährlichen Kosten für den Steuerzahler.

Den Startschuß für dieses Museum hatte vor elf Jahren, am 13. 0ktober 1982, Helmut Kohl mit einer Regierungserklärung gegeben. Damals kündigte der Kanzler zwei westdeutsche Konkurrenzunternehmen an: ein Deutsches Historisches Museum in West-Berlin für die Zeit bis 1945 – und eine „Sammlung“ in Bonn für die Nachkriegszeit, „gewidmet der Geschichte unseres Staates und der geteilten Nation“.

Die Nation ist heute vereinigt. Doch über das Bonner Museum sind die Meinungen in Ost und West geteilt. Vor allem die neuen Bundesländer Brandenburg und Sachsen übten in den letzten Monaten heftige Kritik an dem westdeutschen Ausstellungsprojekt. Nur ab und zu, so klagen die Museumsexperten in den Wissenschaftsministerien beider Länder, wende sich im Bonner Haus der Geschichte „der Blick von Bonn nach Osten“: auf den 17. Juni 1953 (Exponat: eine in einem Buch versteckte Stasi-Kamera), auf den Mauerbau (vier Segmente sind vorhanden) und auf die Demokratiebewegung im Herbst 1989. Mit dem Museum, glaubt Uwe Koch vom brandenburgischen Wissenschaftsministerium, wurde „eine Chance vertan“.

Nach dem Mauerfall, so brüstet sich derweil in Bonn der stellvertretende Museumsdirektor Hans Walter Hütter, „mußten wir gar kein neues Konzept machen“. Aspekte der DDR-Geschichte habe man im Ausstellungskonzept immer schon berücksichtigt. Die Geschichte der Westrepublik sei und bleibe der „rote Faden“. Für die Bonner Museumsmacher ist Adenauers Rücktritt im Jahr 1963 allemal der entscheidendere Einschnitt als der Mauerbau zwei Jahre zuvor.

Die ostdeutschen Kritiker finden das um so peinlicher, als sie in dem Bonner BRD-Museum vor allem eine Antwort auf die früheren Ostberliner Museumspläne erkennen. „Daß das Museum in Bonn eine Reaktion darauf ist“, davon ist Heinrich Douffet vom sächsischen Wissenschaftsministerium überzeugt. Doch in Bonn, wo die SPD anfangs scharf gegen ein von ihr befürchtetes „Adenauer- Gedenk-Zentrum“ polemisiert hatte, regt sich über die Schieflage des Museums kaum einer auf.

Die Bedenken der Opposition, sagt der SPD-Kuratoriumsvertreter Dieter Schloten, seien inzwischen „weitgehend ausgeräumt“. Auf das „hartnäckige Drängen“ seiner Partei führt Schloten es zurück, daß die Studentenbewegung nun einen ihr gebührenden Raum einnehmen soll. In der Tat beschränkt sich das Haus der Geschichte nicht mehr, wie SPD und Grüne anfangs fürchteten, auf die Staatsaktionen der Bonner Politiker, sondern zeigt auch Politik von unten. Selbst die Gewalttaten von Rostock fügten die Museumsplaner eilig in ihr Konzept, und zur Zeit diskutieren sie, ob Bad Kleinen aufgenommen werden soll. „Wir sind kein Institut zur Vermittlung irgendeiner Identität“, versichert Vizedirektor Hütter.

Der Historiker und Ausstellungsmacher Bodo-Michael Baumunk sieht eher eine entgegengesetzte Gefahr: „Dieses Haus ist so eingemauert mit Gremien, daß niemand wirklich frei agieren kann“, urteilt er. Kein CDU-Museum werde entstehen, fürchtet Baumunk, sondern eine Einrichtung, die sich „nach allen Richtungen auf Samtpfötchen bewegt“.

Pech für die Ostdeutschen, daß sie erst zu einem Zeitpunkt in die Gremien aufgenommen wurden, als das Konzept festgezurrt war. Nach dem Mauerfall habe es sich „als großes Problem dargestellt“, wie man die Geschichte des neuen Ostens der BRD darstellen könne, bekennt Schloten. Die Museumsleute beeilten sich, beim Schlußverkauf von DDR-Devotionalien nicht abgehängt zu werden, und ergatterten – unter anderem – eine Selbstschußanlage, eine Ordenssammlung und einen Trabi, mit dem im Herbst 1989 eine ostdeutsche Familie über Prag nach Köln getuckert war. Doch das vom ehemaligen CSU-Bauminister Oscar Schneider geführte Kuratorium, besetzt mit Vertretern der Parteien und Länder, reagierte mit frappierender Gemächlichkeit auf das einschneidendste aller Ereignisse in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Erst über ein Jahr nach der Vereinigung, im Dezember 1991, wurden Vertreter der neuen Länder in das Gremium geladen. Mehr als ein weiteres Jahr später fand im Januar 1993 auf Drängen von Brandenburg und Sachsen ein Arbeitsgespräch mit Museumsfachleuten der ostdeutschen Landesregierungen statt. Bei dieser Gelegenheit habe man „einiges geradegebogen“, sagt der sächsische Regierungsfachmann Douffet. Der Blick auf den Osten sei zwar immer noch „ein Blick durch Fenster, aber die Fenster sind jetzt größer“. Eine Berufung ostdeutscher Wissenschaftler in den 22köpfigen Fachbeirat lehnte das Kuratorium rundheraus ab.

Daß auch der riesige Fundus von DDR-Exponaten, den das Zeughaus bis zur Wende gesammelt hatte, unmittelbar nach der Vereinigung geplündert und „zerrissen“ wurde, macht Winkler „heute noch wütend“. Ein Teil ging nach Bonn, einen Teil erhielt das Berliner Museum für Verkehr und Technik, ein dritter wanderte ins Armeemuseum nach Dresden. Wo sich heute der Talar befindet, der Erich Honecker bei der Ernennung zum Ehrendoktor in Tokio umgehängt wurde, ist unbekannt. Bekannt ist dagegen, wo sich das Ballkleid der ehemaligen Bonner Ministergattin Margot Mende befindet: in den Archiven des Hauses der Geschichte in Bonn. Dort ist es vereint mit solch aussagekräftigen Reliquien wie den Bürosesseln von Adenauer und Kiesinger, einem Carepaket, dem Weltmeistertrikot des Fußballers Bodo Illgner, der Eintrittskarte zu einem Beatles- Konzert in der Essener Gruga- Halle und – eines der jüngsten Stücke der Sammlung – einem blauen Helm aus Somalia.

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