: Campagna Nord-Sud
Auch in Italien Mobilisierung gegen IWF/Weltbank-Tagung / Schulden als ökologisches Problem ■ Aus Rom Heike Wessels-Schild
Auch südlich der Alpen wird gegen die Politik von Internationalem Währungsfonds und Weltbank mobil gemacht. Seit September 1987 läuft eine Nord-Süd-Kampagne unter dem Motto „Biosphäre, Überleben der Völker, Schulden“. Angeregt wurde die Kampagne von Ökologie-Gruppen. Ausgangspunkt war die sich immer schneller entwickelnde Umweltzerstörung, in die die Länder der „Dritten Welt“ getrieben werden, um ihren Schuldendienst zu bezahlen.
Nicht nur in der thematischen Fokussierung der Schuldenproblematik unterscheidet sich die italienische Kampagne von der in der Bundesrepublik. Während sich hierzulande in der Vorbereitung auf die IWF-/Weltbank-Tagung immer mehr Gruppen auf eigene Aktivitäten zurückziehen, bildete sich in Italien ein breites Bündnis. Daran beteiligt sind die großen Umweltverbände, die drei Gewerkschaftsbünde CGIL, UIL und CISL, Nicht-Regierungsorganisationen (NROs), „Dritte-Welt„-Gruppen, die Kirchen und Politiker aller Parteien. Seit diesem Frühjahr war Rom der Schauplatz von drei großen Veranstaltungen zur Umwelt- und Verschuldungskrise, zu denen Teilnehmer aus allen Teilen der Welt kamen.
Im März fand ein zweitägiges Treffen unter dem Thema „Zahlen heißt Sterben, wir wollen leben“ statt. Gefordert wurde eine generelle Schuldenstreichung. Allerdings gab es auch Stimmen, die auf die Gefahr des sich anschließend wiederholenden Schuldenkreislaufs hinwiesen. Beim zweiten Treffen im April wurde vor allem die Frage der „debt-nature -swaps“ behandelt: Hinter dieser Formel verbirgt sich ein Tausch von Schulden gegen Naturschutzleistungen. Angeregt wurde diese Debatte von der Initiative amerikanischer Ökogruppen, die bolivianische Schulden in Höhe von 650.000 Dollar übernommen haben gegen die Zusicherung der Regierung in La Paz, dafür zwei Millionen Hektar Regenwald zu schützen. Diese Art der Schuldenumwandlung wurde aber als unzureichend eingeschätzt. Das Kampagnen-Bündnis hat daher im April zwei Forderungen festgehalten, die bei der Behandlung der Verschuldungskrise im Mittelpunkt stehen sollten: Hauptgesprächspartner müssen die betroffenen Völker sein. Und: Eine Schuldenumwandlung muß sich an der sozioökonomischen und politischen Förderung der Armen und Unterdrückten ausrichten.
Das letzte und bislang größte Treffen fand Anfang Juli statt. Aufgegriffen wurde das frühere Projekt der 'taz‘, ein Symposium zu veranstalten, bei dem Weltbankvertreter und Politiker des eigenen Landes mit KritikerInnen konfrontiert werden sollten. Was in Berlin nicht möglich schien, war in Rom kein Problem. Fast genau zwei Monate später als für Berlin geplant wurde das 'taz'-Projekt in Rom realisiert. Die Vermutungen, die im Vorfeld in Berlin geäußert worden waren, die Weltbank würde auch aus kritischen Veranstaltungen eine PR-Show zu ihren eigenen Gunsten machen, wurden in Rom ad absurdum geführt. Die Weltbank hatte mit Thomas Blinkhorn zwar einen wortstarken Anwalt entsandt, der auch mit rhetorischer Selbstkritik nicht sparsam umging („Afrika ist ein Desaster, und wir haben zu diesem Desaster beigetragen“). Eingerahmt jedoch zwischen den argumentationsfähigen KritikerInnen wirkte er jedoch kaum überzeugend. Unterstrichen wurden die Analysen und Aussagen der KritikerInnen für das ca. 250 Personen zählende Publikum noch zusätzlich durch den Film „The Price of Progress“ von Nick Claxton, der in beeindruckender Weise umweltzerstörende Weltbank-Projekte darstellt und dessen Vorführung auch hierzulande dringend zu empfehlen ist.
Selbst in der Finanzierung von Anti-IWF-Aktivitäten unterscheidet sich Italien von der Bundesrepublik: Da die Nord-Süd-Kampagne sich nicht in der Lage sah, eine Veranstaltung dieser Größe selbst zu finanzieren, suchte sie nach Sponsoren. Diese fand sie in der Zeitung 'La Nuova Ecologia‘ und dem Magazin 'L'Espresso‘, die den Organisatoren bei der Vorbereitung freie Hand ließen. Der 'L'Espresso‘ widmete dem Treffen in Rom in seiner jüngsten Ausgabe 20 Seiten; die Nord-Süd-Kampagne wird nun im eigenen Land ein Stück weiter bekannt sein. In Italien sind jetzt erst mal Ferien. Das Sekretariat der Kampagne in Rom bereitet sich in dieser Zeit jedoch auf die Herbsttagung in Berlin vor. Dort wird die Kampagne beim „Permanent Peoples‘ Tribunal“ gegen IWF und Weltbank anwesend sein. Seit Beginn der Kampagne hat die starke Vernetzung der unterschiedlichsten Gruppen noch weiter zugenommen. Es zeichnet sich schon jetzt ab, daß über die Berliner-Tagung die begonnenen Aktivitäten eine Fortsetzung finden.
Informationen über:
Jutta Steigerwald
c/o IDOC
Via S. Maria dell'Anima, 30
00186 Roma
Tel.: (00396) 656 58 42
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