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CSU des Nordens -betr.: "Voscherau hat sich abgewählt", taz-Hamburg vom 22.9.1997

Die letzten Bürgermeister von Hamburg hatten eines gemeinsam: Sie waren eitel. (...) Niemand scheint aufzufallen, daß Voscherau mit seinem Rücktritt nicht die Verantwortung übernommen, sondern sie weit von sich geworfen hat. Er hat seine Partei im Regen stehen lassen. Mit der STATT-Partei hatte Voscherau leichtes Spiel. Daß er das mit Sager und den Grünen nicht haben würde, wußte er. Er wollte allein regieren oder gar nicht. Seine Partei, denke ich, ist ihm dabei scheißegal. Die Hamburger SPD stand sowieso für reaktionäre Politik und galt nicht ohne Grund als CSU des Nordens.

In Hamburg ist Mann Bürgermeister von Wirtschafts Gnaden. Mann stellt sich gut mit der Handelskammer und den Wirtschaftsbossen, und die Sache läuft. Alle Hamburger Bürgermeister haben nach der Pfeife der Wirtschaft getanzt. Politik ist immer nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr läßt. Neue Elbröhren, mehr Elbvertiefung, die Zerstörung von Altenwerder und anderen Orten – was immer die Hamburger Wirtschaft wollte, sie bekam es. Nur das Plattmachen der Hafenstraße scheiterte am Kampfgeist ihrer BewohnerInnen und deren Unterstützung durch einen großen Teil der politisch aktiven Hamburger Bevölkerung. Die bereits bestellten Abrißbirnen drohten einen Bürgerkrieg heraufzubeschwören.

Das eigentlich Spannende ist nicht, wer mit wem regiert, sondern ob endlich Politik nicht mehr für die Wirtschaft, sondern für die Stadt und ihre BewohnerInnen gemacht wird, deren Bedürfnisse bisher lediglich im Wahlkampf, nicht aber in der Hamburger Politik eine Rolle spielten.

Sandra Holler

Betr.: Kommentar „Blind und blöd“, taz hh vom 25.9.1997

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