: CDU/CSU in sehr fragwürdiger Tradition –betr.: „Schäuble definiert Integration neu“ u.a., taz vom 5.1.99
Als die CSU gegen den minderjährigen Mehmet hetzte und die Verantwortung dieser Gesellschaft für dessen Straftaten leugnete, statt dessen seiner etwas anderen Physiognomie oder der Türkei (was in Bezug auf die Sinnhaftigkeit gleichbedeutend ist) die Schuld gab, ließ sich dies, aufgrund des veränderten politischen Klimas, noch abtun als populistische Agitation von Ewiggestrigen, welche von sozialen Spannungen ablenken wollten und einen Sündenbock brauchten. Wenn jetzt aber CDU/CSU geschlossen versuchen, außerparlamentarisch (sic!) Massen zu mobilisieren, gegen eine ohnehin schon marginalisierte und rechtlose Minderheit, dann stellen sie sich damit nicht nur in eine sehr fragwürdige Tradition, sondern müssen sich in Zeiten täglicher gewaltsamer Übergriffe gegen Menschen fremder Herkunft auch fragen lassen, ob sie sich damit nicht offen zumn parlamentarischen Arm von ausländerfeindlichen, rechtsradikalen Strömungen machen. Dabei müßten gerade bekennende Nationalisten, die ihre Identität an eine Flagge koppeln, Verständnis dafür haben, daß sich zum Beispiel für türkische MitbürgerInnen der Verlust des türkischen Passes mit der Angst vor dem Selbstverlust in einer fremden Welt verbindet.
Wann bekennt sich die CDU endlich klar zur bürgerlichen Demokratie in der Tradition der französischen Revolution und akzeptiert, daß alle in einer Demokratie lebenden Menschen Adressaten des Grundgesetzes sind und nicht nur solche, zu deren Hobbys es gehört, biergetränkt und schunkelnd die allwöchentliche Volksmusikparade bis zum Ende durchzustehen. Herr Stoiber hat verlauten lassen, daß die „Ausländerpolitik“ der rot-grünen Bundesregierung die innere Sicherheit Deutschlands mehr gefährde als die Terroristen der RAF. Provoziert eine solch dumme wie gefährliche Aussage nicht zu der Frage, ob die Inländerselektionspolitik der CDU die Sicherheit von Menschen nicht mehr gefährdet als Rostock, Mölln und Solingen? Benjamin Adamczak, Nauheim
Ich habe zwar eine Ausländerin in Südamerika geheiratet und Doppelstaatler gezeugt. Wir möchten aber den Deutschen das Recht nicht absprechen, ein europäisches Land weiterhin bewohnen zu wollen. Wenn abwertend von „Populismus“ gesprochen wird, widerspricht man dann nicht dem Anspruch, demokratische Verhältnisse zu wollen? [...] Sie haben in Berlin noch keine Kurden-Demo und türkische Anti-Kurden-Demo gesehen wie wir hier in Bonn und können vielleicht nicht nachvollziehen, daß unsere schockierten „Stammtischbrüder“ sich alles andere wünschen, als die Bürgerkriege der halben Welt in „deutsche“ Bürgerkriege verwandelt zu sehen. [...] Erich Sonntag, Bonn
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